20.05.2024 06:15:22 - dpa-AFX: Schleppende Anerkennung ausländischer Ärzte in der Kritik

BERLIN (dpa-AFX) - Ausländische Ärztinnen und Ärzte sollten aus Sicht der
Bundesärztekammer schneller in Deutschland anerkannt werden. "Zweifelsohne
besteht aufgrund des komplexen Anerkennungsverfahrens die Gefahr langer
Wartezeiten oder Hängepartien", sagte die Vizepräsidentin der Ärztekammer, Ellen
Lundershausen, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Laut Bundesärztekammer
erreichte die Zahl der Medizinerinnen und Mediziner ohne deutsche
Staatsangehörigkeit Ende vergangenen Jahres mit knapp 64 000 bereits eine neue
Höchstmarke. Dennoch werden Ärztinnen und Ärzte - auch aus dem Ausland - in
vielen Regionen mit Ärztemangel weiter stark gesucht.

Lundershausen nannte die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Behörden, die für den Start eines ausländischen Arztes in Deutschland nötig sind,
"sicherlich ausbaufähig". Zugleich sei dies aber gar nicht der Kern des
Problems. Vielmehr müsse jeweils individuell anhand einer Vielzahl von
Dokumenten die Gleichwertigkeit des Medizinstudiums im Herkunftsland mit den
Anforderungen in Deutschland überprüft werden. "Die Anerkennungsverfahren ziehen
sich in die Länge, wenn die Unterlagen nicht vollständig vorliegen oder die
Personalressourcen in den Behörden eine schnelle Prüfung nicht zulassen."

"Personalausstattung der Behörden hinkt hinterher"

Die Bundesländer - verantwortlich für die Anerkennung ausländischer Ärzte -
können die Prüfung auf Gleichwertigkeit der Ausbildung an eine gemeinsame
Gutachtenstelle geben, die eigens dafür in Bonn gegründet wurde. Deren Leiterin,
Carola Dörfler, räumte ein: "Bei uns kann die Gleichwertigkeitsprüfung ein
halbes Jahr, acht Monate oder in wenigen Fällen bis zu einem Jahr dauern." Vor
allem der jüngste Anstieg bei den Bewerberzahlen aus der Türkei und der Ukraine
habe zu einem Stau geführt. "Denn die Personalausstattung der Behörden hinkt der
Entwicklung hinterher. Deshalb ist die Verfahrensdauer oft relativ lange", sagte
Dörfler der dpa. Oft liege es auch nicht an den Behörden - "etwa wenn Dokumente
nachgereicht werden".

Die Chefin der Mainzer Agentur "inmed personal" für Unterstützung
ausländischer Ärzten bei der Anerkennung, Elitsa Seidel, sagte: "Vermutlich
liegen die langen Verfahren bis zur Anerkennung auch an den schlecht besetzten
Ämtern." Manche Bewerberinnen und Bewerber gerieten zudem in einen Teufelskreis:
"Die Kliniken brauchen Planungssicherheit und akzeptieren daher nur voll
anerkannte Bewerber." Auf der anderen Seite verlangten die Approbationsbehörden
in vielen Bundesländern einen Einstellungsnachweis. Das Argument dieser Behörden
laut Seidel: Erst dann sind sie zuständig und bearbeiten einen Antrag auf
Approbation überhaupt erst. "Das betrifft insbesondere Ärzte, die noch keinen
Wohnsitz in Deutschland haben und die Approbation von ihrem Heimatland aus
beantragen."

"Brauchen dringend mehr Einheitlichkeit"

Die Bundesärztekammer, die Gutachtenstelle der Länder und die private
Agentur forderten Vereinfachungen der Verfahren. "Heute müssen Antragsteller
ihre Dokumente und ihre Ausbildung auf jeden Fall erst auf Gleichwertigkeit in
Deutschland prüfen lassen", erläuterte Gutachtenstelle-Chefin Dörfler. Dabei sei
in den meisten Fällen schon vorher klar, dass diese reine Dokumenten-Überprüfung
nicht ausreiche und sich die Bewerber persönlich einer Prüfung ihrer Kenntnisse
unterziehen müssten. "Wir wünschen uns, dass sie vorher wählen können", sagte
Dörfler. Wenn zum Beispiel bei einem Bewerber aus Damaskus schon vorher klar
sei, dass er sich doch noch einer persönlichen Prüfung unterziehen müsse, dann
solle sich so ein Bewerber die Gleichwertigkeitsprüfung sparen und sich besser
gleich auf die persönliche Kenntnisprüfung konzentrieren und vorbereiten können.
Dörfler: Den Behörden würde das eine Menge Arbeit einsparen.

Lundershausen sagte, die Abläufe der verschiedenen Akteure wie Botschaften
und Anerkennungsbehörden würden sich scheinbar widersprechen. Sie regte an, die
unterschiedlichen Verfahren auf Kompatibilität zu prüfen. "Aus Sicht des
Antragstellers könnte es hilfreich sein, einen einheitlichen Ansprechpartner
vorzusehen, also eine Stelle, die eine Zuweisung an die richtige Behörde in den
Bundesländern übernehmen würde."

Zudem könnte eine Prüfung analog zum deutschen 3. Staatsexamen dazu
beitragen, die Gutachterverfahren zu verkürzen, so die
Bundesärztekammer-Vizepräsidentin. Viele Approbationsbehörden nutzten dies
bereits. "Eine gesetzliche Normierung dieses Vorgehens würde den Behörden eine
größere Rechtssicherheit ermöglichen". Agentur-Chefin Seidel forderte: "Wir
brauchen dringend mehr Einheitlichkeit in den Standards."/bw/DP/zb

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