27.05.2024 16:25:24 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP: Weiterer Prozess um Umsturzplan von 'Reichsbürgern'

HAMBURG (dpa-AFX) - Ein weiterer Prozess um Umsturzpläne sogenannter
Reichsbürger hat in Hamburg mit einem weitgehenden Geständnis des Angeklagten
begonnen. Die Anklagevorwürfe seien zutreffend, hieß es in einer Erklärung, die
seine Verteidigerin am Montag vor dem Staatsschutzsenat am Hanseatischen
Oberlandesgericht verlas. Der 66-Jährige machte sich jedoch nicht die Bewertung
der "Reichsbürger"-Gruppe durch die Hamburger Generalstaatsanwaltschaft zu
eigen. In Koblenz stehen Mitglieder der Vereinigung "Vereinte Patrioten" seit
über einem Jahr ebenfalls vor Gericht.

Die Anklage wirft dem Schleswig-Holsteiner aus dem Raum Bad Bramstedt vor,
eine terroristische Vereinigung unterstützt und ein hochverräterisches
Unternehmen vorbereitet zu haben. Die auch als sogenannte "Kaiserreichsgruppe"
bekannte Vereinigung habe das Ziel verfolgt, in Deutschland ein autoritär
geprägtes Regierungssystem nach dem Vorbild der Verfassung des Deutschen Reiches
von 1871 zu errichten.

Segeltour nach Kaliningrad

Der Angeklagte soll sich bereiterklärt haben, mit anderen per Schiff in
russische Hoheitsgewässer bei Kaliningrad einzudringen. Nach Aufbringung ihres
Segelboots durch die russische Marine hätten die Seefahrer als Delegation
Kontakt zum russischen Präsidenten aufnehmen wollen. Die Gruppe habe sich von
Wladimir Putin Unterstützung erhofft.

Lauterbach-Entführung und Blackout geplant

Vor dem Umsturz wollte die Vereinigung nach Angaben der Hamburger
Generalstaatsanwaltschaft einen länger andauernden und flächendeckenden
Stromausfall in Deutschland herbeiführen. Bundesgesundheitsminister Karl
Lauterbach (SPD) sollte von Bewaffneten während einer live übertragenen Talkshow
entführt werden. Die Umstürzler hätten Bundeskanzler Olaf Scholz und
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für abgesetzt erklären wollen. Eine
konstituierende Versammlung hätte eine neue Führung bestimmen sollen. Ein
Mitglied der Koblenzer Gruppe und der Angeklagte seien sich einig gewesen, dass
die Staatsform eine parlamentarische Monarchie sein sollte, hieß es in der
Anklage.

Pistole und Munition gefunden

Der Beschuldigte sei beauftragt gewesen, Waffen zu beschaffen. In seinem
Wohnmobil habe er in einem Schließfach eine Pistole und über 100 Schuss Munition
verwahrt. Bei seiner Verhaftung am 29. November 2023 sei Gewehrmunition in einem
Werkzeugschrank im Keller seiner Wohnung gefunden worden.

Angeklagter wollte Verfassungsschutz warnen

Der Plan für einen großen Stromausfall sei ihm zu weit gegangen, erklärte
er. Waffen habe er zwar besorgen wollen, aber nicht für den Umsturz. Er habe
beim Verfassungsschutz angerufen, um die Behörde zu warnen. Nach Angaben eines
Gerichtssprechers wandte sich der Angeklagte zweimal an den Verfassungsschutz,
ohne allerdings zu einem Mitarbeiter durchgestellt zu werden. Seine Angaben
seien der Behörde "zu unspezifisch" erschienen.

Ist "Kaiserreichsgruppe" eine terroristische Vereinigung?

Im Prozess werde es sehr darauf ankommen, dass das Gericht die
"Kaiserreichsgruppe" als terroristische Vereinigung einstufe, erläuterte der
Gerichtssprecher. Nur dann könnte der Angeklagte in Hamburg wegen Unterstützung
einer solchen Vereinigung verurteilt werden. Bei der Bewertung werde der
Staatsschutzsenat zwar ein mögliches Urteil des Oberlandesgerichts in Koblenz
berücksichtigen, aber das Hamburger Gericht müsse zu einer eigenen Bewertung
kommen.

Weitere Prozesse gegen Reichsbürger

Zurzeit laufen weitere Verfahren gegen "Reichsbürger". Seit vergangenem
Dienstag läuft vor dem Oberlandesgericht Frankfurt der Prozess um die Gruppe um
Heinrich XIII. Prinz Reuß. Die Gerichtsverhandlung um den militärischen Arm der
Gruppe "Reuß" hatte Ende April in Stuttgart begonnen. Die übrigen mutmaßlichen
Mitglieder der Reuß-Gruppe sollen sich ab 18. Juni in München vor Gericht
verantworten./bsp/DP/stw

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