16.06.2024 13:59:55 - dpa-AFX: Hunderttausende demonstrieren in Frankreich gegen Rechtsruck

PARIS (dpa-AFX) - Hunderttausende Menschen haben in Frankreich gegen die
rechtsnationale Partei Rassemblement National demonstriert. In Paris und anderen
Städten folgten Menschen am Wochenende Aufrufen der Gewerkschaften und anderer
Organisationen zum Protest gegen die Partei von Marine Le Pen, die bei der
kurzfristig angesetzten Parlamentswahl in wenigen Wochen an die Regierungsmacht
gelangen könnte.

Nach Angaben des Innenministeriums nahmen am Samstag landesweit 250 000
Menschen an den Kundgebungen teil, 75 000 alleine in Paris. Die Gewerkschaft CGT
sprach von frankreichweit 640 000 Demonstranten, darunter 250 000 in der
Hauptstadt. Am Rande mehrerer Protestzüge kam es zu Sachbeschädigungen und
Konfrontationen von Demonstranten mit der Polizei. Auch an diesem Sonntag sollte
demonstriert werden.

Präsident Emmanuel Macron hatte als Reaktion auf die Niederlage seiner
liberalen Kräfte bei der Europawahl und den haushohen Sieg der Rechtsnationalen
am vergangenen Sonntag überraschend die Nationalversammlung aufgelöst und
Neuwahlen für den 30. Juni und den 7. Juli angekündigt.

"Man muss nicht RN wählen, um Frankreich zu lieben" und auch "Nie wieder"
stand auf Transparenten von Demonstranten in Marseille. "Gegen die braune Pest,
Pflastersteine an die Urne" hieß es auf einem Banner in Paris, "Kein Faschismus"
lautete es auf einem anderen Schild. Die Fraktionschefin von Frankreichs
Linkspartei, Mathilde Panot, an der Spitze des Pariser Demonstrationszugs sagte
mit Blick auf die Parlamentswahl: "Entweder es ist die extreme Rechte, oder es
sind wir."

Sarkozy: "Für den Präsidenten ein großes Risiko"

Der konservative Ex-Präsident Nicolas Sarkozy kritisierte Macrons
Entscheidung im Interview der Sonntagszeitung "JDD": "Diese Auflösung stellt
sowohl für das Land als auch für den Präsidenten ein großes Risiko dar", sagte
Sarkozy. "Für das Land, das ohnehin schon zerrüttet ist, weil es dadurch in ein
Chaos gestürzt werden könnte, aus dem es nur schwer wieder herauskommt. Und für
den Präsidenten, der noch drei Jahre im Amt ist und von dem ich es vorgezogen
hätte, dass er diese Zeit nutzt, um das zu erreichen, was die Franzosen wollen."

Unerwartet schaltete sich auch Ex-Präsident François Hollande in den
Wahlkampf ein und kündigte "angesichts der ernsten Lage" seine Kandidatur als
Abgeordneter an. "Noch nie war die extreme Rechte so nah an der Macht. In
unserem Land herrscht politische Verwirrung", teilte der Sozialist am Samstag
mit.

Das starke Abschneiden des RN bei der Europawahl lässt sich nicht
automatisch auf die Parlamentswahl übertragen, da es in Frankreich ein
Mehrheitswahlrecht gibt. Ins Parlament kommt die oder der Abgeordnete eines
Wahlkreises, der in der Stichwahl im zweiten Durchgang die meisten Stimmen
erhält. Um Macrons Präsidentenamt geht es bei der Wahl nicht./evs/DP/men

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