12.05.2024 15:51:00 - dpa-AFX: ROUNDUP: Katalonien-Wahl entscheidet auch über Zukunft der Separatistenbewegung

BARCELONA (dpa-AFX) - In der separatistischen spanischen Region Katalonien
waren am Sonntag 5,75 Millionen Wahlberechtigte zur Bestimmung eines neuen
Parlaments aufgerufen. Als einer der Favoriten für das Amt des
Regionalregierungschefs galt der separatistische frühere Amtsinhaber Carles
Puigdemont. Er nutzte den Ausfall der S-Bahn in Barcelona am Wahltag aufgrund
von Kabeldiebstahl für Kritik an der Zentralregierung, die für die Züge
zuständig ist. Die spanischen Politiker wollten Katalonien so verwalten wie die
Bahn und die Katalanen ihrem Schicksal überlassen, schimpfte er von
Südfrankreich aus.

Denn der 61-Jährige sitzt noch im Exil fest, weil er von der spanischen
Justiz per Haftbefehl gesucht wird - im Zusammenhang mit dem unter seiner
Führung gescheiterten, illegalen ersten Abspaltungsversuch von 2017. Der könnte
erst aufgehoben werden, wenn eine mit der Regierung in Madrid vereinbarte
Amnestie voraussichtlich im Juni in Kraft getreten sein wird.

Im Wahlkampf standen zwar Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik im
Vordergrund, Themen wie in Deutschland, steigende Wohnkosten, Inflation,
Bürokratiewirrwarr. Die Wahl galt aber auch als Plebiszit über die umstrittene
Amnestie für Separatisten. Sie soll nach Worten von Spaniens sozialistischem
Regierungschef Pedro Sánchez den Katalonienkonflikt entspannen und den
Separatisten den Wind aus den Segeln nehmen. Sollte ihr Stimmenanteil sinken,
wäre das ein Erfolg für Sánchez, der im Rest des Landes heftiger Kritik an
seinem nachgiebigen Katalonienkurs ausgesetzt ist.

Die Separatisten lassen indes nicht locker und fordern ein erneutes
Referendum über die Unabhängigkeit. Die einen lieber mit Zustimmung Madrids, die
anderen notfalls wie schon 2017 auch ohne. Die Entwicklung nach der Wahl könnte
auch die Stabilität der spanischen Minderheitsregierung von Sánchez gefährden,
die im Parlament in Madrid auf die Stimmen der Separatisten angewiesen ist.

Kritiker aus dem konservativen Lager werfen Sánchez politische Korruption
vor, weil er sich mit der Amnestie die Zustimmung separatistischer Abgeordneter
bei seiner Wiederwahl im Parlament in Madrid im vergangenen Herbst erkauft habe.
Zudem gefährde er die territoriale Einheit Spaniens, indem er seine
Minderheitsregierung von Separatisten abhängig gemacht habe, die ihn damit
zwingen könnten, doch noch einem Unabhängigkeitsreferendum zuzustimmen.

Umfragen zufolge konnte die sozialistische Partei von Sánchez mit ihrem
Spitzenkandidaten Salvador Illa mit knapp 30 Prozent der Stimmen rechnen und
damit wieder stärkste Kraft werden. Illa lehnt eine Abspaltung Kataloniens ab.
"Ich habe das Gefühl, dass heute eine neue Etappe für Katalonien beginnt", sagte
er bei der Stimmabgabe.

Die liberalkonservative separatistische Partei Junts von Puigdemont konnte
demnach knapp dahinter auf Platz zwei landen, gefolgt von der Partei des
derzeitigen Regionalregierungschef Pere Aragonès von der linken ebenfalls
separatistischen Partei ERC.

Alle anderen Parteien, darunter auch Spaniens größte Oppositionspartei, die
konservative PP, lagen in Umfragen kurz vor der Wahl abgeschlagen im eher
einstelligen Bereich. Allerdings könnten die kleineren linken und rechten
Parteien bei der Beschaffung einer Regierungsmehrheit eine wichtige Rolle
spielen.

Die Wahlbeteiligung lag am frühen Nachmittag bei etwa 27 Prozent und damit
rund vier Prozentpunkte höher als zur gleichen Zeit während der vergangenen Wahl
2021, die mitten in der Corona-Pandemie stattfand./er/DP/he

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