16.06.2024 17:38:09 - dpa-AFX: WDH/ROUNDUP/Schicksalswochen der Ampel: Beim Haushalt geht es jetzt ums Ganze

(Wiederholung: Fehlendes Wort "Jahren" im 4. Absatz, letzter Satz ergänzt:
"seit mehr als 130 Jahren".)

BERLIN (dpa-AFX) - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Ampel-Partner zur Kooperationsbereitschaft in den schwierigen Verhandlungen über den Haushalt 2025
aufgerufen. Zudem mahnte er die Koalition am Wochenende in Interviews, sich nach
den schlechten Ergebnissen bei der Europawahl zusammenzuraufen. "Am Ende wird
viel entschieden, aber manchmal kann man dann hinter dem Pulverdampf gar nicht
erkennen, was da entschieden ist", sagte der SPD-Politiker im ZDF. Der Haushalt
für das nächste Jahr sei "eine Aufgabe, die wir bald lösen müssen, fristgerecht
Anfang des nächsten Monats".

Haushaltsverhandlungen als Vertrauensfrage für gerupfte Koalition

Scholz kehrte am Sonntagmorgen von einer viertägigen Reise zu
internationalen Gipfeltreffen in Italien und der Schweiz zurück. Die nächsten
drei Wochen werden für ihn und seine Koalition zu Schicksalswochen. Durch die
schlechten Ergebnisse aller drei Parteien bei der Europawahl ist das Gelingen
der Haushaltsverhandlungen zur Bewährungsprobe für die Ampel geworden, zu einer
Art Vertrauensfrage für die Bündnispartner. Wenn sie das nicht hinkriegen, sieht
es düster aus für den Fortbestand der Koalition.

Am 3. Juli soll der Haushaltsplan stehen. Anschließend gibt es allenfalls
noch ein paar Tage Puffer bis zum Nato-Gipfel, der am 9. Juli in Washington
beginnt. Wenn der Haushalt davor nicht steht, dann steht auch die Fortsetzung
der Koalition infrage, darin sind sich Beobachter ziemlich einig. Denn die
Verteilung der Steuergelder zwischen den einzelnen Ressorts gilt als
Geschäftsgrundlage für die Zusammenarbeit der Ampel bis zu der für den Herbst
2025 geplanten Bundestagswahl.

Gleich zwei schwierige Treffen nach der Rückkehr von den Gipfeln

Nach der Rückkehr am Sonntag standen gleich zwei wichtige Treffen auf dem
Programm des Kanzlers: Ein vertrauliches Treffen mit Finanzminister Christian
Lindner (FDP) und dem Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
Aus Koalitionskreisen hieß es vorab, dass danach keine konkreten Angaben zum
Stand der Verhandlungen zu erwarten seien. Außerdem wollte Scholz mit dem
SPD-Präsidium die schlimmste Schlappe der SPD bei einer nationalen Wahl seit
mehr als 130 Jahren aufarbeiten.

Die Haushaltsverhandlungen galten schon vor der Wahl als äußerst schwierig,
jetzt hat sich die Lage noch einmal verschärft. Die FDP pocht darauf, dass die
grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse eingehalten wird und es - nur ein
Beispiel - Aufgabe der Regierung sei, mit einer Änderung der Prioritäten auf
eine neue Lage zu reagieren, wie beim weiteren Aufbau der Bundeswehr hin zu
einer Armee, die Deutschland und die Verbündeten verteidigen kann. Auch andere
Ministerien tragen ihre Ausgabenwünsche vehement vor. Eine Befürchtung ist, dass
Kürzungen im Sozialetat gesellschaftliche Spannungen verstärken könnten oder
auch der AfD Wähler in die Arme treiben.

Debatte über Bürgergeld neu entbrannt

Neu entbrannt war schon vor dem Dreiergespräch die Debatte um schärfere
Sanktionen bei Missbrauch des Bürgergelds, angestoßen durch einen Bericht der
"Bild"-Zeitung über einen Plan der SPD, das Bürgergeld bei Fällen von
gleichzeitiger Schwarzarbeit zu streichen. "Es ist nur gerecht, Schwarzarbeit
und Sozialbetrug stärker zu sanktionieren", erklärte dazu Dagmar Schmidt,
Vizechefin der SPD-Bundestagsfraktion, auf Anfrage. "Beides sind keine
Kavaliersdelikte, das machen wir schon immer klar." Zu Details des Berichts
äußerte sie sich allerdings nicht. Grundsätzlich hob Schmidt hervor, das
Bürgergeld setze "auf die Vermittlung in dauerhafte Arbeit - dazu stärkt es
Qualifikation und Weiterbildung". Das sei auch eine Antwort auf den
Fachkräftemangel.

Zustimmung für schärfere Sanktionen kam von FDP-Generalsekretär Bijan
Djir-Sarai. "Wer Bürgergeld bezieht und gleichzeitig schwarzarbeitet, der muss
hart sanktioniert werden", sagte er dem "Tagesspiegel".

Steilvorlage für die Union

Die Union nutze dies als Steilvorlage, um gleich erneut das ganze ungeliebte Konzept infrage zu stellen. CSU-Generalsekretär Martin Huber forderte die Ampel
am Sonntag auf, ganz aus dem Anfang vergangenen Jahres eingeführten Bürgergeld
auszusteigen. "Das Bürgergeld braucht keine Reförmchen, es muss gänzlich
abgeschafft werden. Stattdessen sollte die bewährte Sozialhilfe wiedereingeführt
werden", sagte Huber der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Studien belegten,
dass das Bürgergeld die Arbeitsaufnahme verhindere. Auch zum miserablen
Abschneiden der Ampel bei den Europawahlen hat das Bürgergeld aus seiner Sicht
beigetragen. Huber sagte: "Die Ampel täte nicht nur der Wirtschaft und der
arbeitenden Bevölkerung, sondern auch sich selbst mit der Abschaffung einen
großen Gefallen."/cn/DP/men

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