21.06.2024 06:30:03 - dpa-AFX: ROUNDUP: Putin stichelt gegen den Westen - Nacht im Überblick

HANOI (dpa-AFX) - Der russische Präsident Wladimir Putin hat Südkorea im
Fall von Waffenlieferungen an die Ukraine mit schweren Konsequenzen gedroht.
Solche Lieferungen an Kiew wären ein "schwerer Fehler", sagte der Kremlchef am
Donnerstag bei einem Besuch in Vietnam. "Wenn das passiert, dann werden wir
entsprechende Entscheidungen treffen, die der heutigen Führung von Südkorea kaum
gefallen werden."

Kritik aus Seoul an russisch-nordkoreanischem Pakt

Die Regierung in Seoul hatte zuvor das Abkommen über eine strategische
Partnerschaft zwischen Moskau und Pjöngjang als Verstoß gegen UN-Sanktionen
verurteilt und angedeutet, ihre bisher ablehnende Haltung zu Waffenlieferungen
für Kiew zu überdenken.

Das von Machthaber Kim Jong Un regierte Nordkorea ist wegen seines
Atomwaffenprogramms mit weitreichenden UN-Sanktionen und Einfuhrverboten belegt,
die unter anderem auch den Handel mit Waffen oder die Weitergabe von
Militärtechnologien an das Land betreffen. Bei einem Staatsbesuch in Pjöngjang
am Mittwoch hatte Putin mit Kim ein neues Partnerschaftsabkommen unterzeichnet,
das auch einen gegenseitigen Beistand im Kriegsfall vorsieht.

Putin nannte Bedenken Seouls bei einer Pressekonferenz in Hanoi unbegründet. Südkorea hätte von dem Partnerschafts- und Beistandsabkommen zwischen Russland
und Nordkorea nichts zu befürchten, da der Pakt nur greife, wenn eins der beiden
Länder von einem Drittstaat angegriffen würde. Auch in der Ukraine werde er
keine nordkoreanischen Soldaten einsetzen, versicherte Putin.

Allerdings drohte der 71-Jährige damit, Präzisionswaffen an Nordkorea zu
liefern. Dies sei eine mögliche Antwort auf die westlichen Waffenlieferungen an
die Ukraine, sagte er. Der Westen tue so, als ob er trotz seiner
Waffenlieferungen nicht mit Russland kämpfe. Die Nutzung seiner Waffen durch
Kiew kontrolliere er angeblich nicht. Im Gegenzug könne aber auch Russland seine
Rüstungsgüter in andere Weltregionen verfrachten und sich nicht weiter darum
kümmern, wie diese angewendet würden, sagte Putin.

Putin begründet Pläne zu neuer Atomdoktrin mit westlicher Bedrohung

Daneben äußerte sich Putin auch zu möglichen Änderungen der russischen
Atomdoktrin. Er begründete solche Pläne mit einer angeblich niedrigeren
Hemmschwelle westlicher Staaten beim Einsatz von Atomwaffen. "Speziell werden
atomare Bomben mit geringer Sprengkraft entwickelt", sagte der Kremlchef.
Westliche Experten sähen in der Nutzung solch sogenannter Mini-Nukes nichts
Schlimmes, wie Russland erkannt habe. "Damit hängt auch meine Erklärung darüber
zusammen, dass wir über mögliche Veränderungen in unserer Strategie nachdenken."

Im Zuge des russischen Kriegs gegen die Ukraine kamen aus Moskau immer
wieder Drohungen über einen möglichen Einsatz von Atomwaffen bei einer
Einmischung des Westens in den Konflikt. Die bisher gültige russische
Atomdoktrin besagt, dass Moskau nur in zwei Fällen Atomwaffen verwenden darf:
Bei einem atomaren Angriff auf Russland oder wenn ein Angriff mit
konventionellen Waffen die Existenz des Landes gefährdet. Die vage Definition
hat einige Hardliner dazu bewegt, den Kreml zu einer Verschärfung der Doktrin zu
drängen, um den Westen zu nötigen, die Warnungen ernster zu nehmen.

Ukraine first: USA verzögern Rüstungslieferungen an andere Länder

Zumindest Washington will sich von den Warnungen nicht einschüchtern lassen. Die US-Regierung will die Lieferung bestimmter Rüstungsgüter an andere Länder
aufschieben, um zunächst die Luftverteidigung der Ukraine zu stärken. Der
Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, sagte,
angesichts der eiligen Bedürfnisse Kiews habe die US-Regierung die "schwierige,
aber notwendige" Entscheidung getroffen, bestimmte geplante Rüstungsverkäufe an
andere Länder, insbesondere von Raketen für die Luftabwehrsysteme vom Typ
Patriot und Nasams, zu verschieben. Diese sollten stattdessen zunächst an die
Ukraine gehen, die dringend zusätzliche Luftverteidigungskapazitäten brauche.

Die Flugabwehr soll neben den Stellungen auch das Energiesystem des Landes
schützen. Nach mehr als zwei Jahren Krieg und einem systematischen russischen
Beschuss der Energieanlagen vor allem mit Drohnen und Raketen ist nach
offiziellen Angaben inzwischen rund die Hälfte der Stromkapazitäten
weggebrochen. Die Behörden haben daher strenge Rationierungen beim
Energieverbrauch vorgenommen und in einigen Bereichen stundenlange tägliche
Stromsperren verordnet. Befürchtet wird, dass die Lage sich bei Anbruch der
kühlen und dunklen Jahreszeit noch einmal drastisch verschlechtern könnte.

Selenskyj will für Energiesicherheit Solaranlagen fördern

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will zur Stabilisierung des
schwer getroffenen Energienetzes den Aufbau von Solaranlagen massiv
vorantreiben. "Die Regierung wird angewiesen, unverzüglich ein Programm zur
Förderung der Installation von Solarstromerzeugung und Energiespeicherung in der
Ukraine vorzulegen", sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Bürger,
die eine Solaranlage einbauen, sollen demnach einen zinslosen Kredit bekommen
können. Darüber hinaus sei bei einer Sitzung mit Regierung, Energiewirtschaft
und Generalstab beschlossen worden, Energieanlagen baulich zu schützen vor den
ständigen russischen Angriffen aus der Luft.

Russland meldet ukrainische Drohnenangriffe auf Öl-Raffinerie

Nach einem nächtlichen mutmaßlich ukrainischen Drohnenangriff brach nach
offiziellen Angaben auf dem Gelände einer Ölraffinerie im südrussischem Gebiet
Krasnodar ein Brand aus. Zwei Menschen seien dabei verletzt worden, der Brand
aber bereits wieder gelöscht, teilte das Krisenreaktionszentrum der Region am
frühen Freitagmorgen laut staatlicher Nachrichtenagentur Tass mit. Darüber
hinaus seien infolge eines massiven Drohnenangriffs auf die Region der
Busbahnhof in Juschny und ein Kesselwerk in der Stadt Krasnodar beschädigt
worden. Durch herabstürzende Fragmente einer Drohne seien mindestens vier
Menschen verletzt worden.

Seit mehr als zwei Jahren führt Russland einen Angriffskrieg gegen das
Nachbarland. Mit westlicher Militärhilfe wehrt sich die Ukraine gegen die
Invasion. Dabei werden auch immer wieder Ziele auf russischem Gebiet
angegriffen, um den militärischen Nachschub zu verhindern oder zu erschweren.
Die Zahl der Opfer und die Schäden auf russischem Gebiet stehen in keinem
Verhältnis zu den massiven Zerstörungen und Tausenden Toten und Verletzten in
der Ukraine./bal/DP/stk

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