23.05.2024 17:07:19 - dpa-AFX: ROUNDUP 2/Votum: AfD aus rechter Fraktion im Europaparlament ausgeschlossen

(neu: Reaktion AfD-Spitze)

BRÜSSEL (dpa-AFX) - Alle AfD-Europaabgeordneten sind aus der rechten
ID-Fraktion im Europäischen Parlament ausgeschlossen worden. Ein entsprechender
Antrag von Fraktionschef Marco Zanni habe die erforderliche Unterstützung
bekommen, sagten mehrere Fraktionsvertreter am Donnerstag der Deutschen
Presse-Agentur in Brüssel. Zuvor hatten unter anderem Äußerungen des
AfD-Abgeordneten und Europawahlspitzenkandidaten Maximilian Krah zur SS für
scharfe Kritik gesorgt. Die AfD-Spitze zeigte sich dennoch zuversichtlich, nach
der Europawahl Partner im Europaparlament zu finden.

In der angenommenen Entscheidung heißt es, in Anbetracht "der Reihe von
Vorfällen, an denen Herr Maximilian Krah und damit auch die deutsche Delegation
der Gruppe beteiligt waren und in Anbetracht der Tatsache, dass diese Vorfälle
dem Zusammenhalt und dem Ruf der Gruppe geschadet haben" werde die
Mitgliedschaft der Mitglieder der deutschen Delegation mit sofortiger Wirkung
beendet. Dazu werden die Namen aller neun AfD-Europaabgeordneten aufgeführt.

Der Ausschluss der AfD-Abgeordneten hat vor allem symbolischen Charakter, da das Parlament erst nach der Europawahl in zwei Wochen wieder tagen wird. Dann
werden sich auch die Fraktionen möglicherweise neu zusammensetzen.

Über den Ausschlussantrag wurde in einem fraktionsinternen schriftlichen
Verfahren abgestimmt. Den Informationen zufolge stimmten die italienische Lega,
die französische Partei RN von Marine Le Pen, der flämische Vlaams Belang, die
Dänische Volkspartei sowie die tschechische Partei Freiheit und direkte
Demokratie dafür. Die österreichische FPÖ und eine estnische Partei votierten
dagegen.

Die deutsche AfD-Delegationsleiterin Christine Anderson hatte zuvor noch
versucht, die Entscheidung zu verhindern und forderte eine Anhörung. Zudem legte
sie unterstützt von sechs anderen AfD-Abgeordneten in der ID-Fraktion einen
Antrag vor, lediglich Krah auszuschließen. Nur der AfD-Abgeordnete Joachim Kuhs
unterstützte ihn nicht.

Grund für den Antrag von ID-Fraktionschef Marco Zanni waren die zahlreichen
Negativ-Schlagzeilen, die es in den vergangenen Wochen zur AfD gab. So erteilte
die Parteispitze ihrem eigenen Spitzenkandidaten Krah nach den SS-Äußerungen am
Mittwoch ein Auftrittsverbot. Zudem steht der 47-jährige Sachse unter Druck
wegen der Spionageaffäre um einen Mitarbeiter und wegen seiner Nähe zu Russland
und China. Auch die Nummer zwei der AfD-Europaliste, Petr Bystron, wird nach
Korruptionsermittlungen vorerst keinen Wahlkampf mehr machen.

Der französische Rassemblement National hatte der AfD bereits vor der dem
Ausschlussverfahren die Zusammenarbeit aufgekündigt. RN-Parteichef Jordan
Bardella sagte am Dienstag im Sender TF1: "Ich denke, dass die AfD, mit der wir
im Europäischen Parlament seit fünf Jahren zusammengearbeitet haben, Linien
überschritten hat, die für mich rote Linien sind." Nach der Wahl werde man neue
Verbündete haben und nicht mehr an der Seite der AfD sitzen.

Zuvor hatte ein Interview der italienischen Zeitung "La Repubblica" und der
"Financial Times" mit Krah für Schlagzeilen gesorgt. In diesem war der
AfD-Politiker nach der nationalsozialistischen SS gefragt worden und hatte
gesagt: "Ich werde nie sagen, dass jeder, der eine SS-Uniform trug, automatisch
ein Verbrecher war." Auf die Frage, ob die SS Kriegsverbrecher seien, antwortete
er: "Es gab sicherlich einen hohen Prozentsatz an Kriminellen, aber nicht alle
waren kriminell." Er erwähnte dabei nicht, dass die Schutzstaffel Adolf Hitlers
unter anderem die Konzentrationslager bewachte und verwaltete und maßgeblich für
Kriegsverbrechen verantwortlich war.

Die AfD-Spitze nahm die Entscheidung zur Kenntnis. "Dennoch sehen wir
optimistisch auf den Wahlabend und die darauffolgenden Tage", erklärten die
Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla am Donnerstag in Berlin. Die
AfD strebe an, mit einer verstärkten Delegation für eine schlagkräftige Fraktion
im Europäischen Parlament zu sorgen. "Um in Brüssel politisch wirken zu können,
ist ein Zusammenarbeiten mit nahestehenden Parteien unerlässlich. Wir sind daher
zuversichtlich, auch in der neuen Legislaturperiode verlässliche Partner an
unserer Seite zu haben", betonten Weidel und Chrupalla.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja
Mast, kritisierte scharf, dass Krah Listenkandidat Nummer 1 bleibe. "Das ist
alles eine riesige Wählertäuschung und politische Mogelpackung", sagte Mast dem
"Tagesspiegel". Solange Krah nicht unter Eid versichere, nach der Wahl kein
Mandat anzunehmen, sei er mit der AfD gewählt. "Egal welcher Anschein versucht
wird zu erwecken - die AfD wusste von Anfang, welche Gesinnung er hatte, und hat
ihn auf Platz 1 ihrer Liste gewählt", fügte Mast hinzu./aha/DP/ngu

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