18.06.2024 13:38:08 - dpa-AFX: ROUNDUP/Umfrage: AfD und BSW in Thüringen zusammen bei fast 50 Prozent

ERFURT/WITTENBERG (dpa-AFX) - Rund zweieinhalb Monate vor der Landtagswahl
in Thüringen zeichnet sich dort eine schwierige Regierungsbildung ab. In einer
am Dienstag veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest
dimap im Auftrag des MDR liegt die AfD mit 28 Prozent klar auf Platz eins und
käme zusammen mit dem BSW (21 Prozent) fast auf die Hälfte der Stimmen. CDU
(23), SPD (7) und Linke (11) liegen dagegen zusammen nur noch bei 41 Prozent,
Grüne und FDP wären gar nicht mehr im Landtag vertreten.

Entscheidende Rolle für BSW möglich

Da bisher alle anderen Parteien ein Bündnis mit der AfD ausgeschlossen
haben, käme bei einem solchen Ergebnis nach jetzigem Stand nur eine
Regierungsbildung unter Beteiligung des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) in
Frage. Die CDU hat ein solches Bündnis nicht ausgeschlossen. Die
SPD-Fraktionsgeschäftsführerin im Bundestag, Katja Mast, wollte sich am Dienstag
bei einem Besuch in Cottbus dazu nicht äußern. "Diese Frage stellt sich im
Moment noch nicht", sagte sie. Die Umfragen seien Momentaufnahmen. Derzeit
regiert in Thüringen eine rot-rot-grüne Koalition unter Führung der Linken.

Ost-Ministerpräsidenten und Scholz beraten über Europawahl

Das neue Umfrageergebnis wurde kurz vor Konferenz der
Ost-Ministerpräsidenten bekannt, die sich am Dienstagnachmittag mit
Bundeskanzler Olaf Scholz in der Lutherstadt Wittenberg in Sachsen-Anhalt
treffen. Dabei sollte es unter anderem um die Ergebnisse der Europawahl gehen,
bei der die AfD trotz aller Personalquerelen und Spionagewürfe in allen fünf
ostdeutschen Flächenländern stärkste Kraft wurde. Für die Landtagswahlen in
Thüringen und Sachsen am 1. September und in Brandenburg am 22. September werden
nun ähnliche Ergebnisse erwartet.

Haseloff fordert Konsequenzen für die Migrationspolitik

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) nannte die
Ergebnisse einen "Supergau". "Das ist ein Denkzettel, den wir bekommen haben,
der uns auffordert, auch heute hier bei der Ost-Ministerpräsidenten-Konferenz an
die Ursachen zu gehen", sagte der CDU-Politiker im ARD-"Morgenmagazin". Es habe
noch nie eine solche Unzufriedenheit mit einer Bundesregierung und mit Europa
gegeben. Haseloff forderte ein deutliches Umsteuern vor allem in der
Migrationspolitik, aber auch in der Industriepolitik. "So kann jedenfalls nicht
weitergemacht werden." Das habe auch Scholz verstanden.

Schwesig dringt auf bessere Gesundheitsversorgung im Osten

Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefin Manuela Schwesig (SPD) forderte von Scholz (SPD) eine stärkere Berücksichtigung ostdeutscher Anliegen. "Die letzten
Wahlen haben gezeigt, dass die Menschen in Ostdeutschland sehr unzufrieden
sind", sagte Schwesig auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Ein wichtiges
Thema für die Menschen sei die flächendeckende Gesundheitsversorgung. Die
Krankenhausreform mit den Vorhaltepauschalen gehe in die richtige Richtung, aber
die ländlichen Räume müssten stärker berücksichtigt werden. "Man kann im
ländlichen Raum nicht auf die gleichen Fallzahlen kommen wie in den städtischen
Ballungsräumen", sagte Schwesig. Die Gesundheitsversorgung steht neben der
Europawahl, der Reform der Pflegeversicherung und der Wirtschafts- und
Energiepolitik auf der Tagesordnung des Treffens in Wittenberg.

Wagenknecht gibt den Ministerpräsidenten Mitschuld an mieser Stimmung

BSW-Gründerin Wagenknecht gab den Ministerpräsidenten der östlichen
Bundesländer eine Mitschuld am Missmut der dortigen Wählerinnen und Wähler. "Die
Unzufriedenheit der Ostdeutschen liegt nicht nur an der Bundesregierung, sondern
auch an den Ost-Ministerpräsidenten", sagte die Vorsitzende. "Sie haben in den
letzten Jahren zu wenig rausgeholt und kaum unsinnige Dinge gestoppt, die aus
Berlin kamen."

Wagenknecht warf den Ministerpräsidenten vor, sie seien gegenüber der
Bundesregierung "teils zu unterwürfig" im Vergleich zu vielen westdeutschen
Länderchefs. "Besonders ausgeprägt war das in der Corona-Zeit. Aber auch bei den
Themen Flüchtlingspolitik, Energie und Rente schaffen es die
Ost-Ministerpräsidenten nicht, ihre Bürger gegenüber dem Kanzler angemessen zu
vertreten", meinte die BSW-Chefin./mfi/DP/mis

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