20.06.2024 06:30:02 - dpa-AFX: EM 2024:/ROUNDUP: Nagelsmanns Nahziel und vier wichtige EM-Erkenntnisse

STUTTGART (dpa-AFX) - Auf der Busfahrt zurück ins fränkische EM-Quartier
erreichte Julian Nagelsmann und die in Stuttgart euphorisch gefeierten
Fußball-Nationalspieler auch noch die frohe Kunde vom EM-Patzer der Schweizer.
Nach deren 1:1 gegen Schottland reicht am Sonntag (21.00 Uhr/ARD und MagentaTV)
in Frankfurt schon ein Unentschieden gegen die Eidgenossen, um den Gruppensieg
als nächstes Nahziel bei der Heim-EM perfekt zu machen. Die Fans freilich denken
längst in anderen Sphären. Nach dem 2:0 gegen Ungarn sangen sie schon vom
Finale: "Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!" Nagelsmann stört die Euphorie
nicht - er nahm aus Stuttgart viele für ihn wichtige und positive Erkenntnisse
mit.

Die Fans lieben das Nationalteam wieder

Das Sommermärchen-Gefühl kehrt zurück. Mannschaft und Fans verschmelzen nach Jahren der Entfremdung und der sportlichen Misserfolge wieder zu einer Einheit.
Einstimmen in die "Berlin, Berlin"- Gesänge mochte Nagelsmann allerdings so früh
im Turnier nicht. "Nee, ich sing nicht mit. Ich muss meinen Job machen, und wir
als Gruppe müssen unseren Job machen." Aber bremsen will er die Menschen nicht.
Titelträume sind ausdrücklich erlaubt. "Die Fans dürfen von allem träumen. Unser
Job ist es, sie weiter träumen zu lassen."

Die Fans sind schließlich ein zentraler Bestandteil in Nagelsmann
Turnierstrategie. Auch der Bundestrainer saugt die Party-Stimmung nur zu gerne
auf. Von einer "genialen Stimmung" sprach er in Stuttgart, schon vor dem Spiel
beim Fanmarsch am Teamhotel vorbei. Und dann erst im Stadion: "Zwischendrin
haben die Fans immer mal die Nationalhymne gesungen. Das finde ich auch einen
sehr emotionalen Moment. So etwas gefällt mir unfassbar gut. Wir haben
erfolgreiche und erfahrene Spieler. Trotzdem macht das was mit den Spielern. Das
bewegt uns."

Musiala zaubert und trifft weiter

Jamal Musiala war wieder ein zentraler Erfolgsfaktor. Der 21-Jährige
erzielte das 1:0, sein zweites Tor im Turnier. "Er hat es brillant gemacht in
beiden Spielen", lobte Nagelsmann. Er sage Musiala immer wieder, dass er einfach
wie auf einem Bolzplatz kicken soll, ohne Druck, dafür mit purer Lust. Der
Bayern-Profi ist auf dem Weg zu einem der Topstars dieser EM. Kapitän Ilkay
Gündogan schwärmte: "Für mich ist Jamal unglaublich. Es ist so eine Freude, mit
ihm zusammenzuspielen. Er ist jemand, der das Unerwartete machen kann in jeder
einzelnen Situation. Er ist ein Unterschiedsmacher für uns. Ich liebe ihn, er
ist ein kompletter Spieler, ein netter Kerl. Er kann einer der Besten werden."

Der Kapitän wird zum Anführer

Gündogan und die Nationalelf - das scheint im reifen Alter von 33 Jahren
endlich zu passen. Das 1:0 bereitete er mit vollem Körpereinsatz vor, das 2:0
erzielte er selbst. Nagelsmann hielt ein Plädoyer für den "smarten Spieler", der
super gespielt habe: "Wir müssen ihm alle mehr vertrauen im Land. Wir müssen ihn
einfach alle ein bisschen pushen, weil er uns auch pushen kann." Gündogan hat
weiter vorne, vor statt neben Toni Kroos, seinen besten Wirkungskreis gefunden.
"Ich fühle mich extrem wohl in dieser Mannschaft", sagte er. "Ob ich jetzt ein
Tor geschossen habe oder Player of the Match bin, das sind Bonusgeschichten."
Die Harmonie im Team sei auf einem extrem hohen Niveau. "Es macht riesigen Spaß,
in ihr zu spielen."

Die Mannschaft zeigt Widerstandskraft

So leicht und locker wie beim 5:1 gegen Schottland fiel das Siegen gegen
Ungarn nicht. Viel harte Arbeit und Widerstandskraft waren nötig. Nagelsmann
sprach von einem "Reifeprozess" in kurzer Zeit. Auch kritische Momente zu
überstehen, bringe einem Team sehr viel, betonte Toni Kroos: "In der K.o.-Runde
werden die auch da sein."

Die Offensive funktioniert, aber auch die Defensive um Torwart Manuel Neuer
und den beiden Abwehrtürmen Antonio Rüdiger und Jonathan Tah hielt den Angriffen
stand. "Es gab Momente, die wir überstehen mussten", sagte Nagelsmann: "Wir
haben uns gewehrt. Wenn mal irgendwas nicht stabil war, dann war Manu da, war
Jona da, war Antonio da."

Warum Nagelsmann der Gruppensieg so wichtig ist

Sechs Punkte für Deutschland, vier für die Schweiz: Im direkten Duell geht
es nun um Platz eins. Und den will Nagelsmann unbedingt. "Es hat in allererster
Linie eine Wirkung nach innen, ob du Erster oder Zweiter wirst", sagte
Nagelsmann. Aber auch an die (Titel-)Konkurrenz. "Und der Achtelfinal-Gegner
könnte kein Riesenbrocken sein", spekulierte der Bundestrainer.

Als Erster der Gruppe A würde das DFB-Team am 29. Juni in Dortmund auf den
Zweiten der Gruppe C treffen. England sollte da Erster werden. Dänemark,
Slowenien oder Serbien hieße dann der Gegner. Egal wer kommt, der Stuttgarter
Turnierneuling Maximilian Mittelstädt sagte selbstbewusst: "Für uns ist alles
drin." Er meinte: im Achtelfinale - und darüber hinaus./kbe/DP/stk

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH