24.06.2024 20:16:58 - dpa-AFX: ROUNDUP/Baerbock in Israel: Aufruf zu Sicherheitspartnerschaft für Gaza

TEL AVIV (dpa-AFX) - Außenministerin Annalena Baerbock hat zu einer
internationalen Sicherheitspartnerschaft für ein Ende der Gewalt im Gazastreifen
aufgerufen. "Um dauerhafte Sicherheit aufzubauen, ist es jetzt entscheidend,
Wege zu finden, die Gewalt in Gaza zu stoppen, die Kämpfe dauerhaft zu beenden",
sagte die Grünen-Politikerin am Montag bei der Herzlija-Sicherheitskonferenz des
Instituts für Politik und Strategie sowie der Reichman-Universität in Israel.
Dies sei der Schwerpunkt aller ihrer Gespräche in Israel sowie mit den
amerikanischen, europäischen und arabischen Partnern.

Es ist bereits der achte Israel-Besuch Baerbocks seit der blutigen
Terrorattacke der islamistischen Hamas auf das Land am 7. Oktober. An diesem
Dienstag führt die Ministerin politische Gespräche in den Palästinensischen
Autonomiegebieten, Jerusalem und in der libanesischen Hauptstadt Beirut.

Notwendigkeit von Sicherheit für Israelis und Palästinenser

"Dauerhafte Sicherheit für alle Israelis wird nur möglich sein, wenn es
dauerhafte Sicherheit für die Palästinenser gibt. Und gleichzeitig: dauerhafte
Sicherheit für die Palästinenser wird nur möglich sein, wenn es dauerhafte
Sicherheit für die Israelis gibt", sagte Baerbock. Sie fügte hinzu: "Das eine
ist ohne das andere nicht möglich."

Baerbock sagte, gemeinsam mit anderen EU-Ministern habe sie über einen
möglichen erneuten Einsatz der früheren EU-Grenzschutzmission Eubam am
Rafah-Grenzübergang zwischen dem Gazastreifen und Ägypten gesprochen. Es sei
darum gegangen, "wie wir sicherstellen können, dass Grenzschützer mit
europäischer Unterstützung trainiert werden, aber auch die Sicherheit an der
Grenze zu gewährleisten". Dies könne dann eine erneute Einfuhr humanitärer Güter
über den Grenzübergang ermöglichen, der seit fast zwei Monaten geschlossen ist.
Auf solchen internationalen Sicherheitsgarantien könne man wiederum aufbauen,
damit eine reformierte Palästinensische Autonomiebehörde die
Sicherheitskontrolle übernehmen könne.

Baerbock forderte die israelische Regierung erneut auf, beim Militäreinsatz
im Gazastreifen die Menschenrechte und das Völkerrecht zu wahren. Berichte über
Misshandlungen von palästinensischen Gefangenen nannte sie verstörend. Zugleich
verlangte, die islamistische Hamas müsse "diesem Horror ein Ende setzen" und
alle Geiseln freilassen. Die Hamas habe Israels Sicherheit zerstören wollen,
aber auch dessen Legitimität. "Es ist Hamas, die versucht hat, mit Hilfe ihrer
internationalen Unterstützer eine regionale Eskalation auszulösen."

Baerbock will bei ihrem Besuch auch erneut nach Wegen hin zu einer
Zweistaatenlösung zwischen Israelis und Palästinensern suchen. Damit ist ein
unabhängiger palästinensischer Staat gemeint, der friedlich Seite an Seite mit
Israel existiert. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehnt eine
Zweistaatenlösung ebenso wie die Hamas ab.

Baerbock: Resignation ist keine Option

Deutschland wisse, dass der Weg zu dauerhafter Sicherheit sehr schwierig
sein werde, räumte Baerbock ein. "Aber resigniert die Hände zu heben, ist keine
Option: denn das wird den Schmerz der Familien der Geiseln nicht beenden und das
Leiden der unschuldigen Kinder in Gaza nicht beenden", fügte sie hinzu.

Vollständigen Rückzug der Hisbollah verlangt

Baerbock forderte einen vollständigen und nachweisbaren Rückzug der
schiitischen Hisbollah-Miliz aus dem Grenzbereich des Libanons zu Israel. Die
Zunahme der Gewalt an der Nordgrenze Israels bereitet große Sorgen - auch
deswegen reise sie am Dienstag in die libanesische Hauptstadt Beirut. Gemeinsam
mit den Partnern arbeite man intensiv an Lösungen, die weiteres Leid verhindern
könnten. "Das Risiko einer unbeabsichtigten Eskalation und eines umfassenden
Krieges wächst täglich. Daher ist äußerste Vorsicht geboten."

Israel will durch diplomatischen Druck erreichen, dass sich die Miliz hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht - so wie es
eine UN-Resolution vorsieht. Notfalls sei Israel aber auch zu einem größeren
Militäreinsatz bereit, warnte der israelische Verteidigungsminister Joav Galant.

Gespräche in Ramallah, Jerusalem und Beirut

Am Dienstag sind in Ramallah Gespräche mit dem Ministerpräsidenten der
Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mohammed Mustafa, über die Lage im
Westjordanland sowie die Reformbemühungen der PA geplant. In Jerusalem ist ein
Treffen mit dem israelischen Außenminister Israel Katz vorgesehen. Am
Dienstagnachmittag will Baerbock in der Beirut mit Libanons Ministerpräsident
Nadschib Mikati sprechen.

Mahnung an Israel

Baerbock skizzierte Elemente, die aus ihrer Sicht für den Aufbau dauerhafter Sicherheit von entscheidender Bedeutung seien. Die Bilder vom israelischen
Vorgehen im Gazastreifen lösten starke Emotionen, Fassungslosigkeit, Trauer und
Wut aus, sagte sie. "Als Freund Israels möchte ich offen sein: Diese Wut hilft
Israel nicht, seine Sicherheitsbedürfnisse zu erfüllen, im Gegenteil", sagte die
Ministerin und ergänzte: "Sie dient nur dem zynischen Bestreben der Hamas, eine
weitere Eskalation zu provozieren."

Israels größte Stärke und sein bester Schutz seien seine Menschlichkeit,
sein Bekenntnis zu demokratischen Werten, zum Völkerrecht und zu den
Menschenrechten, mahnte Baerbock. Gerade vor diesem Hintergrund nannte sie
Berichte über Misshandlungen von Gefangenen in Gaza verstörend. Dies gelte auch
für Berichte über die brutale Vertreibung von Palästinensern durch
extremistische israelische Siedler im Westjordanland.

"Palästinenser müssen am Ende Sicherheitsverantwortung übernehmen"

Geklärt werden müsse auch, wie der wirtschaftliche Wiederaufbau im
Gazastreifen finanziert und sichergestellt werde, sodass "diese Bemühungen nicht
zum Aufbau neuer terroristischer Strukturen missbraucht würden", sagte Baerbock.

Deutschland sei dankbar, dass die arabischen Partner diesen Dialog
vorantreiben würden, fügte die Ministerin hinzu. Die Partner hätten aber auch
deutlich gesagt, dass sie ohne Fahrplan für einen palästinensischen Staat und
ohne Zusicherungen, dass dies der letzte Krieg in Gaza sein werde, nicht in den
Wiederaufbau investieren würden. Man müsse die Vision der Araber zusammen mit
dem berücksichtigen, was Europäer, Amerikaner und andere zu bieten bereit seien.

Baerbock an Palästinensische Autonomiebehörde: Reformen nötig

Dazu gehöre auch eine gemeinsame Anstrengung, die künftige Rolle der
Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) zu definieren, sagte Baerbock. Wenn man
wolle, dass die PA irgendwann die Rolle der legitimen Regierungsbehörde in Gaza
übernehme, müsse diese in der Lage sein, dies zu gewährleisten - auch mit
Polizei- und Sicherheitskräften. Dazu müsse die Autonomiebehörde reformiert
werden. Baerbock ergänzte: "In der gegenwärtigen Situation ist es gefährlich und
kontraproduktiv, etablierte PA-Strukturen zu zerstören und zu destabilisieren."
Genau dies bewirke aber die illegale Ausweitung israelischer Siedlungsprojekte
im Westjordanland./bk/le/DP/he

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