01.07.2024 18:17:29 - dpa-AFX: ROUNDUP 2/Supreme Court: Trump zum Teil vor Strafverfolgung geschützt

(neu: mehr Details und Hintergrund)

WASHINGTON (dpa-AFX) - Mit einer historischen Entscheidung zum Schutz vor
Strafverfolgung ehemaliger US-Präsidenten hat der Supreme Court den Beginn des
Wahlbetrugsprozesses gegen Donald Trump weiter verzögert. Das Oberste Gericht
entschied mit seiner rechtskonservativen Mehrheit, dass Trump für gewisse
Amtshandlungen Immunität genießt. Damit gilt es als sehr unwahrscheinlich, dass
der Prozess in Washington noch vor der Präsidentenwahl im November beginnen
wird.

Trump, der bei der Wahl für die Republikaner antritt, begrüßte das Urteil.
"Ein großer Sieg für unsere Verfassung und Demokratie. Stolz, ein Amerikaner zu
sein", schrieb er auf seiner Online-Plattform Truth Social.

Untere Instanz muss nun entscheiden

Der Supreme Court entschied, dass ehemalige Präsidenten für offizielle
Handlungen im Amt vor Strafverfolgung geschützt sind - definierte diese mit
Blick auf die Anklage aber nicht. Damit muss nun eine untere Instanz
herausfinden, für welche Handlungen Trumps Immunität gilt. "Der Präsident
genießt keine Immunität für seine inoffiziellen Handlungen, und nicht alles, was
der Präsident tut, ist offiziell. Der Präsident steht nicht über dem Gesetz",
hieß es in der Entscheidung des Obersten Gerichts.

Trump ist in der US-Hauptstadt im Zusammenhang mit versuchtem Wahlbetrug
angeklagt. Anhänger Trumps hatten am 6. Januar 2021 den Parlamentssitz in
Washington gestürmt. Trump hatte vor dem Sturm auf das Kapitol auf verschiedenen
Ebenen versucht, das Ergebnis der Präsidentenwahl von 2020 zu kippen und seine
damalige Niederlage gegen den Demokraten Joe Biden umzukehren. In der
US-Hauptstadt Washington ist er deswegen angeklagt worden - auch im
US-Bundesstaat Georgia läuft ein Verfahren gegen Trump wegen versuchter
Wahlmanipulation.

Das Urteil kommt zu einem Zeitpunkt, an dem der 78-jährige Trump ohnehin auf einer Erfolgswelle zu schwimmen scheint. Nach einem desaströsen Auftritt seines
Konkurrenten Biden bei einem TV-Duell in der vergangenen Woche stellen viele die
Eignung des 81-Jährigen fürs Weiße Haus infrage. Während Bidens Lager auf
Schadensbegrenzung setzt und in den Angriffsmodus übergegangen ist, gibt sich
Trump betont entspannt.

Trump zuvor gescheitert

Trump und seine Anwälte wollen erreichen, dass die Anklage in Washington
fallen gelassen wird. Sie beriefen sich vor dem Obersten Gericht auf die
Immunität in seinem damaligen Amt als Präsident. Sie argumentierten, dass Trump
nicht rechtlich für Taten belangt werden könne, die zu seinen Pflichten als
Präsident gehörten. Mit dieser Argumentation waren sie vor einem
Berufungsgericht US-Hauptstadt gescheitert. Zuvor hatte auch die zuständige
Richterin in dem Fall dieses Argument zurückgewiesen.

Trumps Anwälte reichten Berufung ein, weshalb der Fall vor dem Supreme Court landete. Dieser ließ sich viel Zeit mit der Urteilsfindung und veröffentlichte
die Entscheidung am letzten offiziellen Tag der Sitzungsperiode.

Das Gericht hat der unteren Instanz mit seinem Urteil viel Arbeit
hinterlassen, weil es nicht klärte, welche Teile der Anklage als offizielle
Amtshandlungen und private Handlungen zu werten sind. Das Urteil fiel mit sechs
gegen drei Richterstimmen. Die als erzkonservativ geltende Mehrheit der Richter
schloss sich im Grundsatz der Entscheidung an. Sie entschied mit dem Urteil über
die Macht von US-Präsidenten und darüber, wo die Grenzen des Rechtsstaats
liegen.

Die Verfassung gewährt Präsidenten nicht explizit Immunität, auch nicht
während ihrer Zeit im Amt. Allerdings ist das Justizministerium traditionell der
Auffassung, dass Präsidenten zumindest während ihrer Zeit im Weißen Haus nicht
angeklagt werden können. Das Urteil wird auch immense Bedeutung für künftige
Präsidenten haben.

Abweichende Meinung: Immunität als "geladene Waffe"

Die drei als liberal geltenden Richterinnen widersprachen der Mehrheit.
Richterin Sonia Sotomayor bezeichnete die Immunität für offizielle Handlungen
als "geladene Waffe" für jeden Präsidenten, der eigene Interessen über die des
Landes stelle. "Die langfristigen Folgen der heutigen Entscheidung sind
erheblich", schrieb sie in der abweichenden Meinung. "Das Gericht schafft damit
effektiv eine rechtsfreie Zone um den Präsidenten und rüttelt am Status quo, der
seit der Gründung der Nation existiert."

Das Wahlkampfteam von US-Präsident Joe Biden veröffentlichte kurz nach
Bekanntwerden des Urteils eine Stellungnahme. "Das heutige Urteil ändert nichts
an den Tatsachen", zitierten US-Medien einen Wahlstrategen des Demokraten.
"Donald Trump ist durchgedreht, nachdem er die Wahl 2020 verloren hatte, und
ermutigte einen Mob, die Ergebnisse einer freien und fairen Wahl zu stürzen."

Rückenwind für Trump

Gegen Trump laufen mittlerweile mitten im Wahlkampf mehrere Strafverfahren.
Auch im US-Bundesstaat Georgia ist Trump wegen versuchten Wahlbetrugs angeklagt.
In Florida wird ihm die mutmaßlich gesetzeswidrige Aufbewahrung von
Geheimdokumenten vorgeworfen. Das Urteil des Supreme Court könnte auch
Auswirkungen auf diese Fälle, besonders den in Georgia, haben. In welchem Maß
das sein wird, dürfte sich aber erst in den kommenden Wochen zeigen.

In New York ist der Republikaner Ende Mai wegen unrechtmäßig verbuchter
Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin verurteilt worden. Die
Strafmaßverkündung ist für Mitte Juli angesetzt. Trump hat Berufung gegen das
Urteil angekündigt.

Der Republikaner beteuert in allen Verfahren seine Unschuld und stellt die
Ermittlungen gegen ihn als Versuch seiner politischen Gegner dar, ihn
kaltzustellen. Bisher haben Trump die strafrechtlichen Ermittlungen in Umfragen
nicht geschadet./nau/DP/jha

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