16.05.2024 11:37:56 - dpa-AFX: SPORT/'Von Zweiflern zu Glaubenden': Klopps letzte Party mit Liverpool

LIVERPOOL (dpa-AFX) - Es begann mit diesem feinsinnigen Satz, der wohl auf
ewig mit ihm verbunden bleiben wird. "I'm the normal one", sagte Jürgen Klopp an
seinem ersten Arbeitstag beim FC Liverpool. Nahezu neun alles andere als normale
Jahre später endet am Sonntag eines der emotionalsten Kapitel des berühmtesten
englischen Fußballclubs. Ein letztes "You'll never walk alone", eine letzte
Huldigung aus der mythischen Kop, eine letzte Ehrenrunde. "Wir wurden alle
zusammen von Zweiflern zu Glaubenden. Meine Botschaft ist: Glaube daran - und du
wirst weiter die Welt verändern", sagt Klopp.

Vielleicht wäre dem 56-Jährigen zum Abschied ein Gegner mit mehr Sexappeal
als die Wolverhampton Wanderers zu wünschen gewesen. Am Ende ist das aber auch
egal. Denn an der ausverkauften Anfield Road wird es allein Klopps Party werden.
Er hat den FC Liverpool nicht nur wiederbelebt, er hat ihn emotional auf ein
ganz neues Niveau gehoben. Für den Club hat er die Welt nicht verändern, er hat
sie auf den Kopf gestellt.

Das All-Inclusive-Paket

Alte Wegbegleiter des Schwaben wundert das nicht. "Er hat Mainz, Dortmund
und Liverpool verändert. Nicht nur die Vereine, sondern auch die Städte und die
Menschen", sagt Christian Heidel der Deutschen Presse-Agentur. Der Sportvorstand
des FSV Mainz 05 hatte Klopp einst zum Trainer gemacht, die beiden verbindet
eine enge Freundschaft.

Was Klopp auszeichnet, ist die Begegnung auf Augenhöhe. Er sieht sich eben
nicht wie sein Amtskollege José Mourinho als "Special One". Er ist Kloppo, ob
der Gegenüber nun Weltstar Mohamed Salah oder jemand an der Supermarktkasse ist.
"Auch wenn er jetzt viel bekannter ist als er damals vor 34 Jahren, als wir uns
kennengelernt haben, war, ist er immer noch er selbst geblieben ? verlässlich,
ehrlich, pflichtbewusst und humorvoll", betont Heidel.

Als Trainer biete Klopp laut Heidel das "All-Inclusive-Paket" von der
fußballerischen bis zur sozialen Kompetenz. In Dortmund führte das zu Titeln, in
Liverpool ebenfalls. Herauszuheben ist hier die Meisterschaft aus der Saison
2019/20. Jener Titel, auf den sie am River Mersey 30 Jahre lang gewartet hatten
und dann aufgrund der Corona-Pandemie nicht richtig feiern konnten. Er verband
trotzdem, machte die Pandemie ein Stück weit erträglicher und Klopp unsterblich.

Der besondere Normale

In der Jordan Street ist Klopps Größe für jeden wahrnehmbar. Hier, gegenüber von Hausnummer 53 und einer Bob-Marley-Statue, mitten im In-Viertel Baltic
Triangle prangt eines der ersten Klopp-Wandgemälde. Mittlerweile ist der Ort zu
einer kleinen Pilgerstätte für LFC-Fans geworden, obwohl es nicht mehr das
einzige sogenannte "Mural" ist.

Der Weg dorthin bedurfte auch Überzeugung, es gab mit Klopps Ankunft keinen
garantierten Erfolg. "Liverpool war ein großer Club bevor ich kam", sagt der
Coach. "Aber es war nicht klar, das jeder dasselbe wollte. Einige lebten noch in
der Vergangenheit. Es bedurfte einer großen Veränderung."

Die Ära Klopp erinnerte den LFC daran, was er im Kern ist. Die Atmosphäre
von Anfield, großartige Europapokalnächte, verschworener Zusammenhalt. Und wenn
einem das mit dem Club gelingt, überträgt sich das auf die gesamte Stadt. "Er
verkörpert die besten Eigenschaften dieser Stadt", sagt Bürgermeister Steve
Rotheram und geht an Klopps Anfänge in der Hafenstadt zurück: "Er möchte der
Normale sein, aber eigentlich ist er sehr besonders."

"Einfach weg"

"Klopp ist für uns der Bill Shankly der heutigen Zeit", sagt Jamie Webster.
Die Worte des über die Stadt hinaus bekannten Musikers und Liverpool-Fans sind
ein Ritterschlag. Schließlich gilt der Schotte als Über-Trainer der Reds, stieg
in die First Division auf, feierte in den 60er und 70er Jahren drei
Meisterschaften und zwei Europapokalsiege.

Er war nicht der erfolgreichste Trainer des Vereins, was auch für Klopp
gilt. Doch Shankly verbindet mit Klopp, dass er den Club über das Spielfeld
hinaus verstand. Die Fans, die Geschichte, die Legenden. Vor der Kop, der
Tribüne des harten Kerns der Reds-Fans, steht heute eine Shankly-Statue. "He
made the people happy", ist darunter zu lesen. Er machte die Menschen glücklich.
Treffender geht es auch im Fall Klopp nicht.

Und nun? Einen Plan habe er nicht, betont Klopp. Das würde ihn zu sehr
binden, er will einfach eine Art von Freiheit genießen, die er über Jahrzehnte
nicht hatte. Freunde treffen, reisen, Fußball schauen, ganz neutral. Irgendwann
werde er wieder arbeiten, aber vorerst gilt: "Ich bin nicht verfügbar. Ich bin
einfach weg. Wir werden sehen, wie lange es dauert."/bat/DP/jha

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