26.06.2024 11:57:17 - dpa-AFX: SPORT/Tour de France: Deutsche Profis 'Außenseiter' bei Etappensiegen

FLORENZ (dpa-AFX) - Jan Ullrich ist optimistisch. Zumindest, wenn es um das
Potenzial der deutschen Radprofis bei der Tour de France geht. "Wir können schon
jetzt eine Etappe gewinnen. Ich glaube auch, dass uns dies auch dieses Jahr bei
der Tour gelingt", sagte der 50 Jahre alte Ex-Profi der Deutschen Presse-Agentur
vor der am Samstag beginnenden 111. Ausgabe der Frankreich-Rundfahrt.

Ullrich, der 1997 die Tour gewonnen hatte und im vergangenen Jahr ein
Doping-Geständnis ablegte, holte zwischen 1996 und 2003 sieben
Tour-Etappenerfolge. "Die Möglichkeit ist immer da", meinte er. "Da kann auch
ein Mann wie Simon Geschke mal in eine Gruppe gehen."

Geschke, mit 38 Jahren einer der ältesten Radprofis bei der diesjährigen
großen Schleife, ist pessimistischer als Ullrich. "Die Chancen auf einen
Etappensieg von mir sind realistisch gesehen sehr gering", sagte der Freiburger
auf dpa-Anfrage. Für ihn es die zwölfte und letzte Teilnahme bei der
bekanntesten Rundfahrt der Welt. Nach dieser Saison beendet der einmalige
Tour-Etappen-Sieger (2015) seine Karriere.

Geschke: Nicht "so heiße Kandidaten" wie Belgien

Gemeinsam mit sieben anderen Deutschen geht Geschke am Samstag in der
italienischen Stadt Florenz an den Start. 2017 waren es mal 16 Starter. Immerhin
geht der Trend leicht nach oben: 2023 nahmen sieben deutsche Profis teil. Zum
Vergleich: Die Franzosen sind dieses Jahr mit 32 Rennfahrern vertreten, die
Belgier mit 28 Profis.

Aus dem schwarz-rot-goldenen Lager reist etwa Nils Politt als Helfer des
zweimaligen Tour-Siegers Tadej Pogacar an. Nachdem Sprinter Phil Bauhaus und der
Augsburger Georg Zimmermann im vergangenen Jahr knapp einen Tageserfolg verpasst
hatten, gehen beide nun auch wieder an den Start. Routinier John Degenkolb,
Bauhaus-Kollege Nikias Arndt sowie die Tour-Debütanten Pascal Ackermann und Nico
Denz komplettieren das deutsche Aufgebot.

Für die acht Fahrer geht es vor allem um Etappensiege - aber nur, wenn sie
die Freiheiten von ihren Teams bekommen und nicht als Helfer für ihre Kollegen
vorgesehen sind. Zuletzt gelang Politt 2021 auf der zwölften Etappe ein
Tageserfolg.

"Ich würde die Deutschen als Außenseiter für einen Etappensieg sehen", sagte Geschke. "Wir haben nicht so heiße Kandidaten wie vielleicht die Belgier mit
Wout van Aert und Jasper Philipsen", fügte er hinzu.

Hoffnungen auf Bauhaus und Zimmermann

Hoffnungen liegen vor allem auf Bauhaus, der laut Geschke "sehr gute Chancen auf einen Tagessieg hat". Der Oldie sieht aber noch jemanden vorn. "Georg
Zimmermann ist ein starker Fahrer und ist aus meiner Sicht der heißeste Kandidat
auf einen Etappensieg", prognostizierte Geschke. Und er selbst? "Bei mir über
die Fluchtgruppen wäre es eine Überraschung", sagte er. Beim Giro im Mai
lieferte er eine tolle Vorstellung ab - und landete in der Gesamtwertung auf
Rang 14.

In Italien machten ebenso zwei Nachwuchsfahrer auf sich aufmerksam: Georg
Steinhauser und Florian Lipowitz. Steinhauser gelang ein spektakulärer
Etappensieg, der ihm sogar Lob von Pogacar einbrachte. Beide sind nicht bei der
Tour dabei. Steinhausers Erfolg freute auch Jan Ullrich. Er ist der Onkel des
22-Jährigen. "Er ist einen mega Giro gefahren und besitzt großes Potenzial",
lobte Ullrich.

Nachwuchsprobleme im Radsport

Den Radsport hierzulande plagen wie auch andere Sportarten
Nachwuchsprobleme. Aus der Sicht vieler Beobachter finden zu wenige Radrennen
statt, die Ausrüstung ist für viele Familien zu teuer und es fehlt die Präsenz,
da Deutschland nicht zu den großen Radsportnationen wie etwa Belgien oder
Italien zählt. "Speziell in der Masse fehlt es ein Stück weit", sagte Ralph
Denk, Team-Manager beim Team Red Bull-Bora-hansgrohe auf dpa-Anfrage. Es gebe
das ein oder andere Talent, aber zu wenige Rennen würden stattfinden und die
Starterfelder seien zu klein.

Ab der Tour steigt beim Bora-Team der Energydrink-Riese Red Bull ein. Durch
die Partnerschaft sollen vor allem Nachwuchsfahrer gefunden und gefördert
werden. Ab 2025 gibt es ein eigenes U23-Team. Dabei sollen Talente von der
Jugend bis ins World-Tour-Team aufsteigen. Und sie vergrößern dann
möglicherweise bald die Anzahl deutscher Fahrer bei der Tour de
France./sfx/DP/tih

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