28.06.2024 14:47:52 - dpa-AFX: WOCHENAUSBLICK: Dax im Bann der Politik - Frankreich-Wahl sorgt für Bewegung

FRANKFURT (dpa-AFX) - Mit der kommenden Woche beginnt für den Dax
nicht nur eine neue Handelswoche, sondern auch das zweite
Halbjahr. Der Blick richtet sich daher nicht allein auf die nächsten
Handelstage, sondern auch auf die mittelfristige Perspektive. Das gilt um so
mehr, als gleich mehrere Termine anstehen, deren Bedeutung weit über das
Tagesgeschäft hinausreicht. An erster Stelle stehen die Wahlen in Frankreich am
Wochenende.

Das Sprichwort, dass politische Börsen kurze Beine haben, könnte sich dieses Mal als unzutreffend erweisen. Denn die Veränderung der politischen Landschaft,
auf die Umfragen hindeuten, hat weit über Frankreich hinausreichende Bedeutung.

"Die rechtsextreme und populistische Partei Rassemblement National (RN)
unter Marine Le Pen führt in den Umfragen deutlich, während sich gleichzeitig
eine starke linke Allianz formiert hat", beschreibt Metzler-Chefvolkswirt Edgar
Walk die Lage. "Beide Lager wollen Reformen zurückdrehen und mehr soziale
Wohltaten verteilen, was das aktuelle Defizit von etwa 5,0 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf besorgniserregende 9,0 Prozent erhöhen könnte."

Das würde nicht ohne Echo an den Finanzmärkten bleiben. Die Schwäche der
französischen Börse und die Entwicklung am Anleihemarkt haben bereits einen
Vorgeschmack geliefert. "Der Spread zwischen französischen und deutschen
Staatsanleihen hat sich ausgeweitet, was das wachsende Misstrauen der Investoren
widerspiegelt", so Walk. "Diese sind - mit mehr als 50 Prozent gehaltener
französischer Staatsanleihen - überwiegend ausländische Gläubiger, die bei
schlechter Nachrichtenlage die Anleihen schneller abstoßen als inländische
Gläubiger." Marktverwerfungen wären daher möglich.

Walk setzt zwar darauf, dass Ausgaben-Exzesse durch das Veto-Recht des
französischen Präsidenten verhindert werden. Allzu viel gewonnen ist damit
jedoch nicht. "Eine befürchtete Ausweitung des Defizits dürfte somit von den
Wahlsiegern nicht umgesetzt werden können - aber ebenso wenig wäre es möglich,
notwendige Sparmaßnahmen umzusetzen", warnt der Volkswirt.

Doch nicht nur die Wahlen im Nachbarland sind für Turbulenzen gut. Auch die
US-Präsidentschaftswahlen werfen ihre Schatten voraus. Das gilt um so mehr, als
nach dem jüngsten TV-Duell die Frage nicht mehr nur 'Biden oder Trump' lautet.
Denn nach dem Auftritt des amtierenden US-Präsidenten, der Fragen nach seinem
gesundheitlichen Zustand kräftig angeheizt hat, halten Experten einen
kurzfristigen Kandidatenwechsel bei den Demokraten für nicht mehr
ausgeschlossen. Hiermit aber würde in den US-Wahlkampf zusätzliche Unsicherheit
geraten und damit etwas, was den Börsen normalerweise nicht gut bekommt.

Anleger könnten die Unwägbarkeiten zum Anlass nehmen, bei den heiß
gelaufenen US-Technologiewerten Kasse weiter zu machen. Kapitalmarktstratege
Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets wertet die Entwicklung beim
US-Halbleiterhersteller Micron als Warnsignal. "Weiter dynamisch steigende
Umsätze und Gewinne und laut Unternehmen ausverkaufte Speicherchips reichten den
Investoren nicht, sie verkauften die Aktie", so Molnar. "Wenn gute Nachrichten
an der Börse nicht mehr ankommen, ist der Markt überkauft."

Damit stehen die Vorzeichen für den Dax alles andere als gut. "Nach neun
Prozent Plus im ersten Halbjahr und einer bislang nur leichten Korrektur könnte
es für den Markt schwer werden, sich dem Sommerloch zu entziehen",
prognostizierte Molnar. "Erst recht, wenn auch an der Wall Street die Zeichen
zur Abwechslung mal auf Verkauf stehen."

Hinzu kommen Warnsignale der heimischen Wirtschaft. Die Volkswirte der
Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) werten den jüngsten Ifo-Geschäftsklimaindex
keineswegs als einmaligen Ausrutscher, sondern als schlechtes Omen. "Schon im
Mai war das Geschäftsklima marginal abgerutscht. Hinzu kommt, dass die
Lagekomponente auf der Stelle tritt, und sich die Erwartungen erneut eingetrübt
haben", heißt es in einer aktuellen Einschätzung. Das dürfte sich auch in den
kommenden Monaten bemerkbar machen. "Vermutlich ist die Wirtschaftsleistung im
zweiten Quartal nahe der Stagnation und auch für das dritte Quartal fehlt
ebenfalls die Fantasie für bessere Zeiten", so die LBBW.

Im Chartbild hat all das Spuren hinterlassen. "Mit seinem doppelten
Verkaufssignal ist der Dax jetzt erst ganz neu in eine Konsolidierungsphase und
Konsolidierungsrange eingetreten", stellte der technische Analyst Marcel Mussler
fest. Anleger sollten sich daher bestenfalls auf ein richtungslosen Schwanken
einstellen, wobei Mussler eine Handelsspanne zwischen 17 626 und 18 567 Punkten
nennt. Entscheidend für die weitere Entwicklung seien dann Ausbrüche über oder
unter eine dieser Marken, wobei der technische Analyst einen Anstieg nach oben
für recht unwahrscheinlich hält.

Für Akzente in der kommenden Woche könnten zudem Inflationsdaten zu
Wochenbeginn sorgen. "Grundsätzlich bleibt der Inflationstrend in Deutschland
wie im Euroraum insgesamt abwärtsgerichtet, was der EZB im weiteren
Jahresverlauf weiteren Leitzinssenkungsspielraum geben sollte", merkte Robert
Greil, Chefstratege der Privatbank Merck Finck, dazu an.

Auch aus den USA gibt es einige wichtige Impulsgeber. So stehen die
ISM-Einkaufsmanagerindizes für Juni und das Protokoll der jüngsten
Notenbanksitzung auf dem Programm. Sie dürften auf Hinweise für die künftige
US-Geldpolitik abgeklopft werden, ebenso wie der wichtigste Hinweisgeber am Ende
der Woche, der Arbeitsmarktbericht für Juni. Sollte er die erhoffte Abkühlung
bringen, könnten Zinssenkungshoffnungen neu angefacht werden - und damit die
eher trüben Aussichten für die Börsen wieder aufhellen./mf/tih/mis

--- Von Michael Fuchs, dpa-AFX ---
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