16.06.2024 14:14:14 - dpa-AFX: Lindner: Bei Bürgergeld nacharbeiten, Schuldenbremse gilt

BERLIN (dpa-AFX) - Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat mit
Blick auf die schwierigen Haushaltsberatungen für das Jahr 2025 Nachbesserungen
beim Bürgergeld gefordert. "Die Erwartungen an das Bürgergeld haben sich
angesichts der praktischen Erfahrungen nicht alle erfüllt. Deshalb muss nach
meiner Überzeugung nachgearbeitet werden", sagte Linder der "Rheinischen Post"
vor dem Hintergrund einer Kostensteigerung beim Bürgergeld. "Manche scheinen das
Bürgergeld als eine Form des bedingungslosen Grundeinkommens missverstanden zu
haben." So sei es aber nicht gemeint.

Lindner sieht bei den Koalitionspartnern SPD und Grüne "eine Bereitschaft
zum Gespräch" zu diesem Thema. Er erklärte: "Die Mehrheit der Bürgerinnen und
Bürger empfindet es als ungerecht, wenn der Unterschied zwischen Arbeiten und
Nicht-Arbeiten zu gering ist. Wer soziale Leistungen in Anspruch nimmt, sollte
sich bemühen, wieder in Arbeit zu kommen." Das Bürgergeld, der Nachfolger von
Hartz IV, war zum 1. Januar 2023 eingeführt worden.

Neuer Etat Anfang Juli im Kabinett

Die rot-grün-gelbe Bundesregierung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht wegen der von der Schuldenbremse auferlegten Sparzwänge einerseits und der
Ausgabenwünsche der Ministerien andererseits vor besonders schwierigen
Verhandlungen über den Haushalt für das kommende Jahr. Anfang Juli soll das
Kabinett den Etat beschließen. Für Sonntag wurde nach Informationen der
Deutschen Presse-Agentur eine Sondersitzung des SPD-Präsidiums angesetzt. Am
selben Tag treffen sich Scholz, FDP-Chef und Finanzminister Lindner und
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne), um über den Bundeshaushalt 2025 zu beraten.

Lindner bekräftigte in dem Interview, dass die Schuldenbremse gilt. "Das
sage ich zu. Denn Schulden sind ja auch eine Belastung des zukünftigen
Steuerzahlers in Form von Zinsen." Hingegen forderten SPD-Politiker wiederholt
ein Aussetzen der Schuldenbremse und Steuererhöhungen, um den neuen Etat zu
finanzieren. Lindner machte klar: "Wir haben einen Koalitionsvertrag. Zentrale
Bedingung der FDP für den Eintritt in die Regierung Scholz war, dass es keine
Steuererhöhungen und dass es nach den enormen Corona-Schulden eine Rückkehr zur
Schuldenbremse gibt." Die FDP kündige diesen Koalitionsvertrag nicht - "andere
stellen ihn fortwährend infrage", sagte er auf eine Frage zur Zukunft der Ampel.

SPD-Politiker fordern klare Kante des Kanzlers

Zugleich erwarten SPD-Politiker nach der historischen Schlappe ihrer Partei
bei der Europawahl, dass Scholz in der Koalition offensiver für Kernanliegen der
SPD eintritt. Der Parteilinke und Bundestagsabgeordnete Tim Klüssendorf sagte
der "Süddeutschen Zeitung": "Wir brauchen einen Plan B, wenn es am 3. Juli Spitz
auf Knopf steht und Olaf Scholz keine 30 Milliarden Einsparungen mitmachen kann,
Christian Lindner sich aber ebenfalls nicht bewegt. Denn einen solchen
Sparhaushalt wird es mit uns nicht geben." Am 3. Juli soll der Etat im Kabinett
gebilligt werden. Mit einem Sparkurs nach dem Wunsch der FDP in das
Bundestagswahljahr 2025 zu gehen, wird laut "Süddeutscher Zeitung" SPD-intern
als "Sargnagel" und weiteres Konjunkturprogramm für die AfD beschrieben.

Lindner machte deutlich, dass der 3. Juli für den Kabinettsbeschluss zum
neuen Etat für ihn nicht in Stein gemeißelt ist. "Der 3. Juli wäre der übliche
Termin", sagte er. "Aber in der Abwägung ist mir ein präzise konzipiertes und
gutes Ergebnis wichtiger als ein schnelles."

Lindner behält sich Nachtragsetat für 2024 vor

Der Minister äußerte sich auch zu einem möglichen Nachtragshaushalt zum Etat 2024: "Wir schauen uns die Entwicklung von Steuereinnahmen und Staatsausgaben
an. Wenn die sich zu stark auseinander entwickeln, bin ich zum Handeln
verpflichtet." So habe das Wirtschaftsministerium etwa mitgeteilt, dass der
Ökostrom neun Milliarden Euro teurer sein werde. "Sollten wir handeln müssen, so
wäre einerseits eine Haushaltssperre denkbar", erklärte er. "Die beträfe aber
auch Investitionen und würde die Wachstumsschwäche unserer Wirtschaft
verschärfen. Andererseits wäre es bei einem Nachtragshaushalt möglich, die
konjunkturbedingt erlaubte Kreditaufnahme neu zu berechnen." Die Regierung von
Hendrik Wüst (CDU) in Nordrhein-Westfalen habe das gerade getan, "das behalte
ich mir auch vor".

Die Schuldenbremse wurde 2009 nach der globalen Finanzkrise im Grundgesetz
verankert. Demnach dürfen Bund und Länder ihre Haushaltsdefizite nicht mehr
durch die Aufnahme von Krediten ausgleichen. Während für die Länder ein
absolutes Verschuldungsverbot gilt, hat der Bund einen kleinen Spielraum. Nach
jahrelangen Ausnahmen, auch wegen Corona, hält der Bundeshaushalt für das
laufende Jahr die Schuldenbremse bislang wieder ein./bg/DP/men

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