01.07.2024 15:29:28 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP 2: Höcke erneut wegen Nazi-Parole zu Geldstrafe verurteilt

(neu: mehr Details und Hintergrund)

HALLE (dpa-AFX) - Zum zweiten Mal steht Thüringens AfD-Chef Björn Höcke
wegen der Verwendung einer verbotenen Nazi-Parole vor Gericht. Zum zweiten Mal
beteuert er vehement und mit vielen Worten seine Unschuld. Durchsetzen kann sich
der 52-Jährige nicht. Das Landgericht Halle verurteilt ihn erneut zu einer
Geldstrafe.

Wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen soll Höcke 130 Tagessätze zu je 130 Euro zahlen. Seine Anwälte
wollen in den nächsten Tagen entscheiden, ob sie Revision einlegen. Sie hatten
einen Freispruch gefordert.

Richter weist Vorwurf der politischen Justiz zurück

Höcke habe gewusst, dass er sich mit der Verwendung des Spruchs "Alles für
Deutschland" strafbar mache, sagte der Vorsitzende Richter Jan Stengel. Er wies
zudem Vorhaltungen von Höcke zurück, dass dieser das Opfer einer politischen
Justiz werde.

Der AfD-Politiker hatte in seinem mehr als halbstündigen Schlusswort gesagt, dass es sein subjektives Gefühl sei, dass er "mundtot" gemacht werden solle.
Richter Stengel sagte, er überprüfe seit mehr als 30 Jahren alte DDR-Urteile auf
Rechtsstaatswidrigkeit. Dort seien ihm viele echte politische Entscheidungen
begegnet.

Im konkreten Fall geht es um die Parole "Alles für Deutschland". Sie wurde
einst von der Sturmabteilung (SA) verwendet, der paramilitärischen
Kampforganisation der Nazi-Partei NSDAP. Höcke stimmte sie im Dezember 2023 bei
einem AfD-Stammtisch im thüringischen Gera an, vor rund 350 Menschen. Der
Politiker sprach dabei die ersten beiden Worte aus - das Publikum ergänzte das
dritte Wort. Da war Höcke und vermutlich auch den Anwesenden beim Stammtisch
schon klar, dass gegen ihn wegen derselben Parole ein Strafverfahren läuft. Der
Parteichef nutzte sie auch im Mai 2021 bei einer Wahlkampfveranstaltung im
sachsen-anhaltischen Merseburg.

Im ersten Prozess, der Mitte Mai mit einem Schuldspruch endete, hatte Höcke
noch argumentiert, er habe die Nazi-Parole gar nicht gekannt. Seine Rede sei
spontan formuliert gewesen. Das Argument konnte Höcke nun nicht mehr bringen.
Stattdessen versuchten seine Verteidiger deutlich zu machen, dass der Spruch nur
eine untergeordnete Rolle bei der SA gespielt habe und bis in die jüngste Zeit
viele andere Menschen den Spruch verwendeten, ohne strafrechtlich belangt zu
werden. Höcke sei überrascht gewesen, dass das Publikum die Losung
vervollständigte.

Staatsanwaltschaft forderte Bewährungsstrafe

Die Staatsanwaltschaft hatte für Höcke eine Bewährungsstrafe und eine
Geldauflage gefordert. Sie beantragte acht Monate Freiheitsstrafe, die zur
Bewährung ausgesetzt werden solle. Zudem solle Höcke 10 000 Euro an eine
gemeinnützige Vereinigung wie etwa die KZ-Gedenkstätte Buchenwald zahlen, sagte
Staatsanwalt Benedikt Bernzen in seinem Plädoyer.

"Herr Höcke hat die Rede nur als Vorwand genutzt, um die Parole erneut zu
verbreiten", befand Bernzen. Der Politiker habe gewusst, dass die Rede
anschließend im Internet Verbreitung finden würde. Bernzen hätte auch auf eine
Anordnung des Gerichts plädiert, dass Höcke zwei Jahre keine öffentlichen Ämter
bekleiden dürfe. Dieser Forderung kam das Gericht nicht nach. "Es reicht die
Geldstrafe aus", sagte Richter Stengel.

Verteidiger: "ungewollter Zuruf" des Publikums

Der Verteidiger Florian Gempe betonte, Höcke habe an der bestimmten Stelle
abgebrochen und die Formel gerade nicht ausgesprochen, um eine Strafbarkeit zu
vermeiden. Er sprach von einem "ungewollten Zuruf" des Publikums.

Der Verteidiger kritisierte zudem, dass kein Gutachter gehört wurde. Dabei
hatte das Gericht das selbst zunächst gewollt. Einem Historiker war abgesagt
worden, nachdem sich herausgestellt hatte, dass er sich negativ über die AfD
geäußert hatte.

Erstes Urteil fiel im Mai

Wegen desselben Spruchs war Höcke am 14. Mai bereits zu einer Geldstrafe von insgesamt 13.000 Euro verurteilt worden. Er hatte die Parole im Mai 2021 bei
einer Wahlkampfveranstaltung im sachsen-anhaltischen Merseburg genutzt.
Rechtskräftig ist die Entscheidung nicht, denn Höcke legte Revision ein.

Für Höcke ist der zweite Prozess in Halle noch nicht der letzte. Das
Landgericht Mühlhausen in Thüringen hat eine Anklage gegen den Politiker wegen
des Vorwurfs der Volksverhetzung zugelassen. Es geht um einen Telegram-Post von
Höcke aus dem Jahr 2022 zu einer Gewalttat in Ludwigshafen und das angebliche
Verhalten vieler Einwanderer. Verhandlungstermine stehen noch nicht fest.

Bei den Landtagswahlen in Thüringen am 1. September will der frühere
Geschichtslehrer als AfD-Spitzenkandidat ins Rennen gehen. Seine Partei wird vom
Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft./bz/DP/jha

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