27.05.2024 13:11:05 - dpa-AFX: POLITIK/Lagebild Antisemitismus: Verbindungen über ideologische Grenzen hinweg

BERLIN (dpa-AFX) - Die Corona-Pandemie sowie der Hamas-Überfall auf Israel
und die israelische Gaza-Offensive haben nach Einschätzung des
Verfassungsschutzes in den vergangenen Jahren zu einer verstärkten Sichtbarkeit
von Antisemitismus in Deutschland geführt. "Mit Ausbruch des Gaza-Kriegs und den
damit verbundenen Demonstrationen war auffallend, dass sich sonst im Hinblick
auf Antisemitismus eher zurückhaltende Extremisten nun weitaus offener
antisemitisch äußerten", teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz am Montag
mit. "Extremisten aller Art instrumentalisieren den Krieg in Nahost und nutzen
den Antisemitismus für ihre Agenda", stellt der Nachrichtendienst in seinem
neuen Lagebild zum Antisemitismus für die Jahre 2022 und 2023 fest.

Der Antisemitismus sei häufig ein verbindendes Element, "auch in Mischszenen und über ideologische Grenzen hinweg". Auffallend sei gewesen, dass vor dem
Hintergrund der Pandemie verbreitete "antisemitisch grundierte
Verschwörungserzählungen" nicht nur bei Extremisten Widerhall gefunden hätten.

Die linksextremistische Szene zeigt sich laut Verfassungsschutz in Bezug auf Antisemitismus weiterhin gespalten. Es könne festgestellt werden, "dass die
Konfliktlinien zwischen dem propalästinensischen und dem proisraelischen Lager
fortbestehen", heißt es in dem Lagebild. Außerdem stellt das Bundesamt fest:
"Die größte antisemitische Bedrohung in Deutschland ist die Verschränkung von
Rechtsextremismus und Antisemitismus."

Die Leugnung des Existenzrechts Israels und der Antisemitismus bildeten
trotz ideologischer Gegensätzlichkeit etwa des Terrornetzwerks Islamischer Staat
(IS) und seiner Ableger gegenüber der aus der Muslimbruderschaft entstandenen
Hamas einen "gemeinsamen Bezugsrahmen, der sich unmittelbar auch auf die
Sicherheitslage in Europa und in Deutschland auswirkt".

Auch in der deutschsprachigen dschihadistischen Szene seien Aufrufe von IS
und Al-Kaida zu Gewalt zu verzeichnen. Das Gefahrenpotenzial für mögliche
Terroranschläge gegen jüdische und israelische Personen und Einrichtungen sowie
gegen "den Westen" insgesamt sei in der Folge deutlich angestiegen.

"Jede Propaganda für den Hamas-Terror ist eine Straftat", betonte
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Verfassungsschutzpräsident Thomas
Haldenwang verwies auf den von den Polizeibehörden dokumentierten Anstieg der
Zahl antisemitischer Straf- und Gewalttaten in Deutschland in den vergangenen
Monaten. Er sagte: "Die Zahlen sollten uns alle beunruhigen."/abc/DP/stw

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