19.06.2024 15:53:11 - dpa-AFX: ROUNDUP/Ungeimpft im Seniorenheim: Kein Anspruch auf Bezahlung und Urlaub

ERFURT (dpa-AFX) - Arbeitnehmer, die sich der einrichtungsbezogenen
Impfpflicht während der Corona-Pandemie verweigerten, können nicht auf
Gehaltsnachzahlungen und Urlaub bei einer angeordneten Freistellung pochen. Das
entschied das Bundesarbeitsgericht am Mittwoch in Erfurt (5 AZR 167/23). Eine
Klägerin aus Nordrhein-Westfalen, die von einem Seniorenheim-Betreiber wegen
fehlendem Impfschutz im Jahr 2022 über Monate freigestellt wurde, scheiterte in
der höchsten Arbeitsgerichtsinstanz. Ihr stehen nach der Entscheidung des
Fünften Senats weder Gehaltsnachzahlungen von etwa 6000 Euro noch knapp 13
gestrichene Urlaubstage zu. Das Bundesarbeitsgericht bestätigt damit eine
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf.

In einem zweiten Fall einer Altenpflegerin aus Baden-Württemberg entschieden die Bundesarbeitsrichter, dass eine Abmahnung wegen fehlendem Impfnachweis
jedoch nicht gerechtfertigt ist (5 AZR 192/23).

Ungeimpft Senioren betreuen - rechtlich nicht möglich

Das Tätigkeitsverbot stand vom 16. März bis Ende 2022 im
Infektionsschutzgesetz. Es sei hinreichend deutlich, dass es bei der
einrichtungsbezogenen Impfpflicht im Gesundheits- und Sozialbereich um den
Schutz kranker und pflegebedürftiger Menschen ging, sagte der Vorsitzende
Richter Rüdiger Linck in der Verhandlung. Eine Beschäftigung von Ungeimpften sei
Arbeitgebern schon aus rechtlichen Gründen nicht möglich gewesen, so der
Vizepräsident des Bundesarbeitsgerichts (BAG).

Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits im April 2022 eine
Verfassungsbeschwerde gegen die heftig umstrittene einrichtungsbezogene
Impfpflicht zurückgewiesen. Für Konflikte hatte gesorgt, dass eine ursprünglich
diskutierte allgemeine Impfpflicht in Deutschland nicht eingeführt wurde.

Die Klägerin, deren Fall beim BAG verhandelt wurde, war als
Alltagsbegleiterin für Senioren eingesetzt und arbeitete in Teilzeit. Sie
verfügte weder über einen Impf- noch einen Genesenennachweis oder eine ärztliche
Bestätigung, dass sie nicht gegen das Coronavirus geimpft werden kann. Ihr
Arbeitgeber meldete das dem zuständigen Gesundheitsamt. Von April 2022 an
stellte der Heim-Betreiber die Frau wegen des fehlenden Immunitätsnachweises
ohne Lohnfortzahlung frei. Ihr Urlaubsanspruch wurde anteilig pro Monat um ein
Zwölftel reduziert. Erst im September erließ das Gesundheitsamt für sie ein
Beschäftigungsverbot bis Ende 2022.

Richter: Gesundheitsämter oft überlastet

Das Infektionsschutzgesetz habe Arbeitgebern einen Ermessensspielraum
eingeräumt, sagte der Richter. "Er war am nächsten dran." Die Gesundheitsämter
seien in der Corona-Zeit vielfach hoffnungslos überlastet gewesen. Linck
widersprach damit der Meinung der Klägerin, ihr Arbeitgeber hätte sie bis zu
einer behördlichen Entscheidung weiter beschäftigen müssen. Die Reduzierung
ihres Urlaubsanspruchs sei rechtens, weil er durch sie beeinflussbar aus der
geringeren Zahl an Arbeitsmonaten resultiere. Der Vorsitzende Richter machte
aber auch deutlich, dass die Entscheidung von Menschen gegen Corona-Impfungen zu
respektieren sei.

Nach Angaben des Arbeitgeber-Anwalts sind in dem Seniorenheim rund 600
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Während der Corona-Zeit hätten
drei von Ihnen keinen Impfnachweis erbracht und seien ohne Bezüge freigestellt
worden.

Karlsruhe hatte entschieden, dass der Schutz sogenannter vulnerabler Gruppen verfassungsrechtlich schwerer wiegt als die Beeinträchtigung der Grundrechte für
Mitarbeitende im Pflege- und Gesundheitsbereich./rot/DP/ngu

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