26.06.2024 15:07:43 - dpa-AFX: ROUNDUP: EU-Schuldenregeln: Deutschland muss perspektivisch weniger ausgeben

BERLIN (dpa-AFX) - Deutschland muss nach Vorgaben der EU-Kommission in den
nächsten Jahren weniger ausgeben als bislang geplant, um die europäischen
Schuldenregeln einzuhalten. Für das nächste Jahr seien die Vorgaben aus Brüssel
zwar etwas großzügiger als die Finanzplanung der Bundesregierung, sagte
Finanz-Staatssekretär Florian Toncar am Mittwoch. Im Jahr 2026 müsse aber
deutlich konsolidiert werden, und zwar von Bund, Ländern und Kommunen gemeinsam.
Das gehe aus einer Mitteilung der Kommission an Berlin von vergangener Woche
hervor, den sogenannten Referenzpfaden.

Vergleichsbasis sind die mittelfristige Finanzplanung der Bundesregierung
sowie das sogenannte Stabilitätsprogramm, das über vier Jahre die wichtigsten
finanzpolitischen Maßnahmen für die Haushaltsplanung beschreibt.

Um für solide Finanzen zu sorgen, muss jedes Mitgliedsland der Europäischen
Union gemeinsam mit der für die Aufsicht zuständigen EU-Kommission einen
vierjährigen Haushaltsplan aufstellen. Unter bestimmten Bedingungen, etwa wenn
ein Land sich zu wachstumsfördernden Reformen und Investitionen verpflichtet,
kann der Plan ausgeweitet werden. Auch kann die EU-Kommission übergangsweise bei
der Berechnung der Anpassungsanstrengungen etwa den Anstieg der Zinszahlungen
berücksichtigen.

Auf Grundlage der Referenzpfade erarbeitet Deutschland nun einen Finanzplan
und reicht ihn bei der EU-Kommission ein, genau wie alle anderen
Mitgliedsstaaten. "Das wird mutmaßlich bis September geschehen", so Toncar.
Daraufhin könne es noch einmal zu Änderungen des Ausgabenpfades kommen, den die
Kommission vorgibt. Die Haushaltspläne müssen zudem noch vom Ministerrat
verabschiedet werden.

Die EU-Schuldenregeln, auch Stabilitäts- und Wachstumspakt genannt,
schreiben vor, dass der Schuldenstand eines Mitgliedstaates 60 Prozent der
Wirtschaftsleistung nicht überschreiten darf. Gleichzeitig muss das
gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit unter drei Prozent des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) gehalten werden. Wer die Obergrenzen übertritt,
riskiert ein Strafverfahren. Vergangene Woche hatte die EU-Kommission ein
sogenanntes Defizitverfahren gegen sieben Mitgliedsländer eingeleitet, darunter
Frankreich und Italien. Deutschland droht momentan kein Ärger aus Brüssel.

An dem Regelwerk gibt es auch immer wieder Kritik. Während der Finanzkrise
in den 2000er Jahren verstießen rund 20 Staaten dagegen. Theoretisch sind bei
anhaltenden Verstößen auch Strafen in Milliardenhöhe möglich. In der Praxis
wurden diese aber noch nie verhängt. Kritiker der Vorgaben betonen zudem, dass
die Regeln nötigen Investitionen, beispielsweise in Klimaschutz, die Luft
abschnürten.

Der Sozialverband Deutschland kritisierte: Deutschland drohe nur dann ein
Sparzwang, wenn "das eigentliche Problem", zu geringe Einnahmen, nicht geregelt
werde. Finanzminister Christian Lindner erwecke den Anschein, der Sozialetat
würde die Zukunft unseres Landes gefährden, daher müsse man im sozialen Bereich
sparen, sagte die Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier. "Doch der
Sozialstaat ist entscheidend für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das
solidarische Grundgerüst, von dem alle profitieren." Der Verband fordere eine
angemessene Besteuerung von Reichtum./rdz/DP/jha

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