23.06.2024 14:39:05 - dpa-AFX: Israels Verteidigungsminister: Auf Einsatz im Libanon vorbereitet

TEL AVIV (dpa-AFX) - Israels Verteidigungsminister Joav Galant hat vor
seiner Abreise in die USA bekräftigt, sein Land sei "auf jeden Einsatz
vorbereitet, der erforderlich sein könnte, im Gazastreifen, im Libanon und in
anderen Gebieten". Es wird befürchtet, dass ein offener Krieg zwischen Israel
und dem Libanon sich zu einem regionalen Konflikt ausweiten könnte, in den auch
die USA als wichtigster Verbündeter Israels hineingezogen würden.

Angesichts der wachsenden Sorgen vor einer Eskalation des Konflikts reist
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in dieser Woche zu Gesprächen nach
Israel und in den Libanon.

Bericht: USA garantieren Israel Hilfe im Kriegsfall

Galant reist auf Einladung seines Amtskollegen Lloyd Austin in die
Vereinigten Staaten. Er wollte neben Austin auch US-Außenminister Antony Blinken
treffen. "Unsere Beziehungen mit den USA sind wichtiger denn je. Unsere Treffen
mit US-Repräsentanten sind entscheidend in diesem Krieg", teilte Galant nach
Angaben seines Büros mit.

Der US-Sender CNN hatte berichtet, ranghohe US-Repräsentanten hätten
Mitgliedern einer israelischen Delegation versichert, dass die USA Israel volle
Rückendeckung geben würden, sollte ein größerer Krieg mit der Hisbollah
ausbrechen.

Seit mehr als acht Monaten beschießen sich Israel und die Hisbollah ständig. Zuletzt nahm die Intensität der Gefechte deutlich zu. Die Hisbollah griff am
Sonntag mehrere Ziele in Israel an, darunter nach Medienberichten im Bereich
einer Einrichtung des israelischen Rüstungsunternehmens Rafael im Norden des
Landes. Die Raketenabwehr konnte die Drohne demnach abfangen.

Netanjahu wiederholt Vorwürfe gegen US-Regierung

Galants US-Reise erfolgt, nachdem Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu
mit einem Video, in dem er die US-Regierung wegen einer zurückgehaltenen
Waffenlieferung mit harschen Worten angegriffen hatte, für eine erneute Krise in
den Beziehungen zur US-Regierung von Präsident Joe Biden gesorgt hatte.

Netanjahu bekräftigte seine Vorwürfe am Sonntag bei der wöchentlichen
Kabinettssitzung. Vor etwa vier Monaten habe es "einen dramatischen Rückgang der
Waffenlieferungen aus den USA nach Israel" gegeben, sagte er. Nachdem die Lage
sich monatelang nicht verändert habe, sei er damit an die Öffentlichkeit
gegangen.

Massenproteste in Israel gegen Netanjahu

Zehntausende Israelis forderten am Samstagabend bei landesweiten Protesten
ein Ende der Regierung Netanjahus und die Freilassung der im Gazastreifen
festgehaltenen Geiseln. "Lebendig, lebendig - und nicht in Leichensäcken",
skandierten Demonstranten in Tel Aviv.

Die Organisatoren sprachen von rund 150 000 Teilnehmern. Es sei die größte
Demonstration in Tel Aviv seit dem Terrorüberfall der islamistischen Hamas am 7.
Oktober vergangenen Jahres in Israel gewesen. Auch in Jerusalem, Haifa und
anderen Orten gab es Massenproteste gegen die Führung von Netanjahu.

Juval Diskin, ehemaliger Leiter des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet,
bezeichnete Netanjahu bei der Kundgebung in Tel Aviv als "den schlimmsten und am
meisten gescheiterten Ministerpräsidenten in der Geschichte des Staates". Diskin
warf der Regierung ein verfehltes Kriegsmanagement, "die Lüge vom "totalen
Sieg", die totale Flucht vor der Verantwortung" und die "Zerstörung unserer
strategischen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten" vor. Netanjahus Regierung
verpasse "jede Gelegenheit zur Rückführung unserer entführten Brüder und
Schwestern".

Das "Wall Street Journal" hatte jüngst berichtet, dass die Zahl der noch
lebenden Entführten bei nur etwa 50 liegen könnte. Offiziell befinden sich noch
rund 120 Geiseln in Gaza.

Zunehmende Polizeigewalt gegen Demonstranten

Bei den Massenprotesten gegen Netanjahus Regierung in Tel Aviv kam es zu
Rangeleien mit der Polizei, mehrere Personen seien festgenommen worden.
Polizeiminister ist der rechtsextreme Politiker Itamar Ben-Gvir. Berittene
Beamte hätten versucht, mit ihren Pferden einige der Demonstranten
auseinanderzutreiben. Auf einem Video ist zu sehen, wie ein Polizist eine
Fernsehjournalistin mit Gewalt zur Seite stößt.

Die Gewalt der Polizei bei den Demonstrationen habe "alle Grenzen
überschritten", wetterte der neue Vorsitzende der oppositionellen Arbeitspartei,
Jair Golan, auf der Plattform X. Die Polizei dürfe nicht "zu einem Werkzeug in
den Händen der korrupten und gescheiterten Regierung" werden, schrieb er.

Seit Monaten laufen Bemühungen der Vermittler USA, Katar und Ägypten, Israel zu einer Waffenruhe und die Hamas zur Freilassung der Verschleppten im Austausch
gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen zu bewegen -
bisher ohne Erfolg. Netanjahu und Blinken werfen der Hamas eine unnachgiebige
Haltung vor und machen sie für die Stagnation bei den indirekten Verhandlungen
verantwortlich. Die Hamas wiederum sieht Israel in der Pflicht. Die
Hauptforderungen der Islamisten sind ein sofortiger Waffenstillstand sowie ein
vollständiger Rückzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen.

Hamas: Mindestens 42 Tote bei israelischen Angriffen im Gazastreifen

Bei zwei israelischen Luftangriffen im Gazastreifen wurden am Samstag nach
Angaben der islamistischen Terrororganisation Hamas mindestens 42 Menschen
getötet. Es seien Wohnhäuser getroffen worden, hieß es. Israels Armeesender
berichtete, Ziel eines der Angriffe in dem Flüchtlingslager Al-Schati westlich
von Gaza-Stadt sei Raed Saad gewesen, ein ranghoher Kommandeur des militärischen
Arms der Hamas. Es blieb jedoch auch am Sonntag unklar, ob dieser wirklich
getötet wurde.

USA ziehen Flugzeugträger "Eisenhower" aus Rotem Meer ab

Nach einem mehrmonatigen Einsatz als Reaktion auf den Hamas-Angriff gegen
Israel haben die USA den Flugzeugträger "Dwight D. Eisenhower" aus dem Roten
Meer abgezogen. Das Schiff und der dazugehörige Verband befänden sich auf dem
Rückweg in die USA, teilte das Regionalkommando Centcom mit. Ersetzt werde die
"Eisenhower" durch den Flugzeugträger "Theodore Roosevelt" und dessen Verband,
der in der kommenden Woche in der Region ankommen soll.

Der Einsatz erfolgt im Rahmen der multinationalen Sicherheitsinitiative
"Operation Prosperity Guardian". Sie soll die Sicherheit und die freie
Schifffahrt im Roten Meer und Golf von Aden sicherstellen. Dort verläuft eine
der wichtigsten Schifffahrtsrouten für den Welthandel. In den vergangenen
Monaten hat die Huthi-Miliz im Jemen dort immer wieder zivile Frachtschiffe
attackiert. Die Miliz agiert nach eigenen Angaben aus Solidarität mit der Hamas
in Gaza./ln/DP/he

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