15.07.2024 05:19:12 - dpa-AFX: VERMISCHTES: Vision Weltraumbahnhof - Studenten konstruieren Rakete

AACHEN/BREMEN (dpa-AFX) - Eigentlich sollte die rot-weiß gestreifte Rakete
schon von der Nordsee aus starten, nun lagert sie in einer alten Industriehalle
in Aachen. Studenten haben den 3,60 Meter langen Flugkörper namens "Aquila
Maris" (Adler des Meeres) konstruiert und gebaut. Diesen Sommer sollte es hoch
hinausgehen - kurzfristig wurde der Start verschoben. "Wir sind alle ziemlich
enttäuscht", kommentiert Teamleiter Lukas Freiheit die Absage.

22 Studenten der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) und
der Fachhochschule Aachen bilden das Team "Aquila Maris". Sie haben eine von
mehreren Raketen für das Konsortium German Offshore Spaceport Alliance (Gosa)
gebaut, dem mehrere Bremer Firmen angehören. Die Vision von Gosa: ein
Weltraumbahnhof auf dem Wasser. Dann hätte Deutschland einen eigenen Zugang zum
All.

Deutschland soll keinen Weltraumbahnhof wie Cape Canaveral in den USA oder
Baikonur in Kasachstan bekommen. Geplant ist eine schwimmende Startplattform,
ein Spezialschiff mit Startrampe. Heimathafen des Schiffs soll Bremerhaven sein.
Künftig sollen europäische Microlauncher - das sind Mini-Raketen - von der
schwimmenden Plattform aus starten und Satelliten in den Weltraum
transportieren. Der Startpunkt befindet sich im sogenannten Entenschnabel der
Ausschließlichen Deutschen Wirtschaftszone, in der Deutschland noch bestimmte
Hoheitsrechte hat.

Die Initiative für das Vorhaben startete der Bundesverband der Deutschen
Industrie (BDI) bei seinem ersten Weltraumkongress vor mehr als vier Jahren. In
einer Erklärung damals hieß es, die zunehmende Kommerzialisierung der Raumfahrt,
New Space genannt, sei eine große Chance auch für Deutschland.

Bevor es so weit ist, muss erst mal ausprobiert werden. Die Testphase wurde
schon mehrfach verschoben, diesen Sommer sollte es endlich losgehen. Ende Juni
dann die Hiobsbotschaft: Der Raketenstart von einer mobilen Plattform in der
Nordsee muss abermals verschoben werden. An der Technik hapere es nicht,
versicherte eine Sprecherin des beteiligten Bremer Raumfahrtunternehmens OHB.
Vielmehr fehlten noch Unterlagen von den Behörden. Erst für nächstes Jahr ist
ein neuer Versuch geplant.

Angedacht ist zunächst eine sogenannte suborbitale Demo-Mission. Suborbital
bedeutet, dass die Erdumlaufbahn nicht erreicht wird. Die Studenten-Rakete
sollte bei dem Probeflug beispielsweise mit zweifacher Schallgeschwindigkeit von
einem Schiff aus starten, zehn Kilometer hoch fliegen und anschließend im Meer
landen. Schwimmflügel sollten den Flugkörper vor dem Versinken bewahren und ein
GPS-Signal das Wiederfinden ermöglichen. So zumindest der ursprüngliche Plan.

"Es ist total blöd, nach einem Jahr Arbeit mit 20 Leuten die fertige Rakete
nicht zu starten", beschreibt Freiheit den Gemütszustand der jungen
Raketenbauer. Gemeinsam mit seinem Kommilitonen Johann Schepke hat er die
Leitung inne. Ihr Team ist Teil eines 2019 von Studenten gegründeten Vereins,
der schon mehrere Raketen gebaut hat.

Der Flugkörper könne nur im Sommer von der See aus starten, in der kalten
Jahreszeit sei das Meer zu rau, erklärt Freiheit. Ob das Team im kommenden Jahr
noch mal mitmacht, ist bisher unklar. Das Studium lief für die Raketenbauer
zeitweise nur nebenbei. Sie arbeiten eigenständig, ohne Professoren.

Sie wollten die studentische Freiheit nutzen, um Dinge auszuprobieren und
Erfahrungen zu sammeln, sagt Lukas Freiheit. "Bei uns geht das viel einfacher
und mit viel weniger Druck als später im Job." Nun werde das Team erst einmal
"Klausuren schreiben und den Sommer genießen"./uho/DP/zb

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