07.07.2024 14:18:15 - dpa-AFX: Scholz hält Etatentwurf 2025 für 'guten Haushalt'

WEIMAR/BERLIN (dpa-AFX) - Bundeskanzler Olaf Scholz hat den
Haushaltskompromiss der Koalitionsspitzen gegen die Kritik der Opposition
verteidigt. Man habe einen Weg gefunden, um sowohl die wichtigen Aufgaben des
Landes wie auch die Hilfen für die Ukraine finanzieren zu können, "ohne dass es
zu Einschränkungen hierzulande führt", sagte der SPD-Politiker bei einem
Bürgerdialog in Weimar.

"Und deshalb ist es ein guter Haushalt, auf den sich die Bundesregierung in
so langer Zeit und in einer Nacht ohne Schlaf geeinigt hat." Scholz räumte ein,
dass die Koalition um diesen Weg "mühevoll gerungen" habe.

Die Spitzen der Koalition hatten in der Nacht zum Freitag in langen
Verhandlungen den seit Monaten schwelenden Haushaltsstreit beigelegt und sich
auf einen Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 geeinigt. Die Schuldenbremse wird
eingehalten, eine Haushaltsnotlage etwa wegen der Ausgaben für die militärische
und humanitäre Unterstützung der Ukraine nicht festgestellt - dies war der FDP
wichtig.

"Investitionshaushalt steigt dramatisch"

Scholz betonte in Weimar beim Wahlkampfauftakt der thüringischen SPD, die
Koalition tue mit ihrem Etatentwurf etwas für Kinder und Familien, indem das
Kindergeld und der Kinderzuschlag erhöht würden. Außerdem werde in die
Infrastruktur des Landes wie Straßen und Schienen investiert. "Der
Investitionshaushalt des Bundes steigt dramatisch", sagte der Kanzler.

Investiert werde auch in modernste Infrastruktur für die innere und äußere
Sicherheit Deutschlands, so Scholz. Zwar soll der Verteidigungshaushalt von rund
52 Milliarden Euro nur um etwa 1,2 Milliarden Euro wachsen, während Minister
Boris Pistorius (SPD) mehr als 6 Milliarden Euro gefordert hatte. Doch Scholz
betonte, "dass wir für die Sicherheit unseres Landes das notwendige Geld
bereitstellen und dass wir deshalb auch die Bundeswehr besser ausstatten werden,
als es in der Vergangenheit der Fall war".

Lindner sieht "ganz normalen Haushaltsprozess"

Dass der Verteidigungsminister mit viel weniger Geld auskommen muss als
erwartet, sieht sein Kabinettskollege Christian Lindner (FDP) gelassen. "Der
Verteidigungsminister bekommt mehr Geld als im Haushalt davor, aber er bekommt
weniger Geld, als er auch öffentlich gefordert hat", sagte der
Bundesfinanzminister der "Bild". "Das ist der ganz normale Haushaltsprozess."
Ein Minister arbeite mit Leidenschaft für sein Ressort und fordere natürlich das
Maximum. "Die Aufgabe des Finanzministers und der Bundesregierung insgesamt ist
dann, zu prüfen, was wünschenswert und was wirklich notwendig ist."

Nachbesserungen an Verteidigungshaushalt gefordert

Der SPD-Haushaltsexperte Andreas Schwarz nannte die geringe Anhebung des
Verteidigungsetats eine "ernüchternden Zahl". "Das Ergebnis der
regierungsinternen Haushaltsgespräche entspricht nicht dem, was wir im
Verteidigungsbereich brauchen." Nun hätten die Abgeordneten "im
parlamentarischen Verfahren die Aufgabe, deutliche Nachbesserungen vorzunehmen",
sagte Schwarz dem "Tagesspiegel".

Nach dem für den 17. Juli anvisierten Kabinettsbeschluss für den Etat 2025
wird sich der Bundestag unmittelbar nach der Sommerpause im September damit
erstmals befassen. Im November/Dezember steht üblicherweise die Beschlussfassung
im Parlament an.

Nachbesserungen am Verteidigungshaushalt hält auch die Union für nötig. "Was wir jetzt brauchen, sind rasch echte Umpriorisierungen im Haushalt, die einen
verstetigten und erhöhten Verteidigungsetat ermöglichen", sagte der
CDU-Sicherheitsexperte Roderich Kiesewetter der "Augsburger Allgemeinen".

"Damit werden wir nicht kriegstüchtig", sagte der Präsident des
Reservistenverbandes, Patrick Sensburg, zur nur geringfügigen des Wehretats im
nächsten Jahr. "Das ist enttäuschend." Der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete
warnte beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Es werden vielmehr an allen
Ecken und Enden Lücken bleiben."

Nach 2025 wird es "immer enger" bei der Bundeswehr-Finanzierung

Die längerfristige Finanzierung der Bundeswehr über 2025 hinaus dürfte
ebenfalls noch zu heftigen Debatten führen. Kanzler Scholz hatte von einem
regulären Verteidigungsetat von 80 Milliarden Euro von 2028 an gesprochen, also
nachdem das Sondervermögen komplett ausgegeben sein wird. Vizekanzler Robert
Habeck (Grüne) machte in den ARD-"Tagesthemen" die Dimension der Herausforderung
deutlich. "2025 kommen wir gerade so durch. Danach wird es immer enger werden."

Die Gegenfinanzierung nach Auslaufen des 100 Milliarden Euro umfassenden
Bundeswehr-Sondervermögens sei noch nicht gefunden. "Die ist deutlich höher als
unser Problem der letzten zwei, drei Tage oder der letzten Nacht", betonte der
Grünen-Politiker. "Ich möchte nicht, dass wegen der Verteidigungsfähigkeit der
Bundesrepublik Deutschland bei Bildung, bei Forschung, bei Kultur, bei sozialen
Leistungen gespart wird."

Habeck: Keine weiteren Debatten über Haushaltsnotlage

Habeck sprach sich gegen eine erneute Debatte über eine Haushaltsnotlage
etwa im parlamentarischen Verfahren aus. "Das ist geführt - diese Debatte. Ich
würde die nicht wieder aufmachen", sagte der Grünen-Politiker. Er sprach von
einem "sehr, sehr guten Paket".

Das sieht der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer anders. "Mit vielen
Kunstgriffen nutzt man nun finanzielle Spielräume, die der Finanzminister bis
vor kurzem noch ausgeschlossen hatte", sagte Türmer dem Portal web.de. Vieles
basiere auf Prognosen. Bei verschärften Weltlagen oder Krisen könne der Haushalt
ganz schnell in Schieflage geraten. "Deswegen ist eine Aussetzung der
Schuldenbremse weiterhin die nachhaltigere Option."

DGB sieht Licht und Schatten

Gewerkschaften und Sozialverbände reagierten zwiegespalten. DGB-Chefin
Yasmin Fahimi wertete es als "gute Nachricht", dass größere Einschnitte und
Sozialkürzungen offenbar ausbleiben. Die arbeitspolitischen Vorschläge hielten
die Gewerkschaften in Summe für das falsche Signal.

Die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland (SoVD), Michaela
Engelmeier, hob in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe hervor, es scheine
gelungen zu sein, "in entscheidenden Bereichen einen weiteren sozialen Abstieg
zu verhindern". Im RND-Interview monierte sie aber zugleich, "dass die großen
Verteilungsfragen mit dieser Koalition nicht mehr gelöst werden, weil man sich
nicht auf die dafür notwendige mutige Steuerreform einigen kann".

Union behält Option vorgezogener Neuwahl auf dem Tisch

Die Union sieht derweil im Ampel-Kompromiss kein Signal für deren
Stabilität. "Es kann sein, dass wir auch kurzfristig nach Berlin kommen müssen",
sagte Unionsfraktionschef Friedrich Merz der "Rheinischen Post". "Die
Ampel-Koalition ist nicht so stabil, dass sie sicher über den Sommer durchhält."

Bringt das Wachstumspaket wirklich Wachstum?

Nach Einschätzung der CDU/CSU-Opposition wird das von der Ampel-Koalition
zusammen mit dem Haushalt geplante Wachstumspaket die deutsche Wirtschaft nicht
nachhaltig ankurbeln. "Das angebliche Wachstumspaket ist genauso schwach wie die
Ampel. Klein-Klein-Gewerkel statt merkbarer Impulse für die Wirtschaft",
erklärte die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion,
Julia Klöckner. Wichtige Strukturreformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit wie eine
Deckelung der Lohnnebenkosten, flexiblere Arbeitszeiten und eine
Unternehmenssteuerreform fehlten./sk/DP/he

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH