25.06.2024 06:00:17 - dpa-AFX: ROUNDUP: EU beginnt Beitrittsgespräche mit der Ukraine - Die Nacht im Überblick

LUXEMBURG/KIEW (dpa-AFX) - Die EU beginnt an diesem Dienstag die Gespräche
für spätere Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau. Die Unterredungen
werden am Rande eines EU-Ministertreffens in Luxemburg organisiert, nachdem in
der vergangenen Woche die sogenannten Verhandlungsrahmen beschlossen worden
waren. Mit ihnen werden die Leitlinien und Grundsätze für die Verhandlungen
festgelegt. Es handelt sich nur um den Startschuss für den Prozess,
Verhandlungen im eigentlichen Sinne gibt es noch nicht.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einem "historischen Ereignis". "Das ist der Tag, auf den die Ukraine seit Jahrzehnten zustrebt. Und
nun wird es Wirklichkeit. Die Ukraine wird niemals vom Pfad zu einem vereinten
Europa abzubringen sein, zu unserem gemeinsamen Zuhause für alle europäischen
Nationen", sagte Selenskyj in seiner in Kiew am Montagabend verbreiteten
Videobotschaft.

Der Beginn von Beitrittsgesprächen mit der von Russland angegriffenen
Ukraine und deren kleinem Nachbarstaat Moldau war bereits bei einem EU-Gipfel im
Dezember grundsätzlich beschlossen worden. Gleichzeitig wurde aber vereinbart,
dass vor dem Verhandlungsstart alle Reformauflagen erfüllt sein müssen. Dies
bescheinigte die zuständige EU-Kommission der Ukraine erst in diesem Monat,
nachdem unter anderem Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung, für einen besseren
Schutz von nationalen Minderheiten und zur Einschränkung des politischen
Einflusses von Oligarchen ergriffen worden waren.

Europastaatsministerin Lührmann: "Historischer Tag"

Europastaatsministerin Anna Lührmann (Grüne) sagte: "Heute ist ein
historischer Tag für Europa! Wir eröffnen die EU-Beitrittsgespräche mit der
Ukraine und Moldau." Ihr Besuch in der Ukraine und in Moldau vorige Woche habe
sie beeindruckt. "Beide Länder haben trotz der russischen Bomben, der
Desinformations-Kampagnen und der Destabilisierungversuche große Fortschritte
erzielt", sagte sie.

Für die Menschen in der Ukraine gilt die Eröffnung von
EU-Beitrittsverhandlungen vor allem als wichtiges Zeichen dafür, dass es sich
lohnt, den Abwehrkampf gegen Russland weiter fortzusetzen. Wie lange es nach
einem Start der Gespräche bis zum EU-Beitritt dauern könnte, ist aber völlig
offen.

Theoretisch könnte ein Beitrittskandidat auch nie Mitglied werden. Bei der
Ukraine gilt es derzeit so auch als ausgeschlossen, dass sie vor dem Ende des
russischen Angriffskriegs EU-Mitglied wird. Denn dann könnte Kiew nach Artikel
42, Absatz 7 des EU-Vertrags militärischen Beistand einfordern - und die EU wäre
Kriegspartei.

Selenskyj wechselt Kommandeur von Militäreinheit aus

Die Ukraine wehrt sich seit mehr als zwei Jahren mit westlicher Hilfe gegen
die russische Invasion. Nach Berichten über hohe Verluste in den ukrainischen
Streitkräften hat Präsident Selenskyj den Generalleutnant Jurij Sodol vom Posten
des Kommandeurs der Vereinigten Kräfte entlassen. Gründe für den Schritt nannte
er nicht. Zuvor hatte aber der Stabschef der umstrittenen Asow-Brigade, Bohdan
Krotewytsch, Medien zufolge Anzeige gegen Sodol erstattet. Er warf dem
Kommandeur fahrlässige Befehle vor, die zu großen Verlusten geführt hätten.

Medien zufolge gab es nicht zuletzt in der Obersten Rada, dem Parlament in
Kiew, Vorwürfe gegen Sodol: Er habe ukrainische Soldaten schlecht auf Einsätze
vorbereitet - zum Beispiel in der umkämpften Region Charkiw.

In seiner Videobotschaft verurteilte Selenskyj außerdem einen russischen
Raketenangriff auf die Stadt Pokrowsk im ostukrainischen Gebiet Donezk. Vier
Menschen seien getötet, Dutzende weitere verletzt worden, sagte der Präsident.
Er kündigte einen Vergeltungsschlag nach dem russischen Angriff an. "Und unsere
Antwort wird ganz fair sein."

Russland tut neue EU-Sanktionen als wirkungslos ab

Die EU hatte zuvor ihr 14. Sanktionspaket beschlossen, um Russlands
Kriegswirtschaft zu stoppen. Moskau tat die neuen Strafmaßnahmen aber einmal
mehr als wirkungslos ab. Vielmehr schade sich die EU wieder selbst, teilte das
Außenministerium in Moskau mit. Der Westen schaue weder auf die Folgen für die
eigene Wirtschaft noch für den Wohlstand der Menschen in der EU, sagte
Vize-Außenminister Alexander Gruschko.

"Der Sinn der Sanktionen bestand darin, die russische Wirtschaft zu
strangulieren, den Zusammenhalt der Gesellschaft zu zerstören. Erreicht hat die
EU das Gegenteil", sagte Gruschko. Russland warnte zudem vor erneut steigenden
Energiepreisen in der EU.

Die Außenminister der 27 Mitgliedstaaten billigten die Sanktionen in
Luxemburg zusammen mit weiteren neuen Strafmaßnahmen wegen des russischen
Angriffskriegs gegen die Ukraine. Das Außenministerium in Moskau teilte am Abend
mit, dass im Gegenzug weitere Vertreter aus Politik und Wirtschaft sowie von
Institutionen aus der EU mit einem Einreiseverbot in Russland belegt würden.
Details wurden nicht genannt.

Das Sanktionspaket beinhaltet erstmals weitreichende Sanktionen gegen
Russlands milliardenschwere Geschäfte mit Flüssigerdgas (LNG). Vorgesehen ist,
dass Häfen wie der im belgischen Zeebrugge künftig nicht mehr zur Verschiffung
von russischem LNG in Drittstaaten genutzt werden dürfen. Dies soll dazu führen,
dass Russland wegen mangelnder Transportkapazitäten weniger Flüssigerdgas
verkaufen kann und weniger Gewinne erzielt, die für die Fortsetzung des
Angriffskriegs gegen die Ukraine verwendet werden könnten.

Russische Analysten sprachen von einem Schlag gegen LNG-Produzenten.
Allerdings seien die Sanktionen vergleichsweise weich; und es gebe eine
Übergangszeit, die es russischen Unternehmen ermögliche, wie etwa beim Ölembargo
neue Abnehmer und alternative Routen zu finden. Schon jetzt profitieren Indien
und China - insgesamt der asiatische Raum - von den vergleichsweise günstigen
Energie-Angeboten der Rohstoffgroßmacht Russland./aha/DP/zb

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