25.06.2024 18:41:39 - dpa-AFX: ROUNDUP: EU startet Beitrittsverhandlungen mit Ukraine und Moldau

LUXEMBURG (dpa-AFX) - Die Europäische Union hat Beitrittsverhandlungen mit
der Ukraine und Moldau eröffnet. Vertreter der von Russland angegriffenen
Ukraine und des kleinen Nachbarlandes Moldau kamen dazu am Dienstag in Luxemburg
zu ersten sogenannten Regierungskonferenzen zusammen.

"Dies ist ein historischer Moment für uns alle und ein Meilenstein in
unserer Beziehung", sagte die belgische Außenministerin Hadja Lahbib im Namen
der EU zum Auftakt der Gespräche. Der Erweiterungsprozess sei eine geopolitische
Investition in Frieden, Sicherheit, Stabilität und Wohlstand.

Wie lange die Beitrittsverhandlungen dauern werden und ob sie überhaupt zu
einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden können, ist offen. Die
EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wurden beispielsweise bereits 2005
gestartet - sie liegen allerdings heute nach fortdauernden Rückschritten des
Landes in den Bereichen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte
vollständig auf Eis.

Bei der Ukraine gilt es derzeit auch als ausgeschlossen, dass sie vor dem
Ende des russischen Angriffskriegs EU-Mitglied wird. Denn dann könnte Kiew nach
Artikel 42, Absatz 7 des EU-Vertrags militärischen Beistand einfordern - und die
EU wäre Kriegspartei.

Großer Tag für die Ukraine

In der Ukraine wurde die Eröffnung der Verhandlungen dennoch groß gefeiert.
"Heute ist der Tag, auf den wir alle lange und hart hingearbeitet haben - die
gesamte Mannschaft der Ukraine", sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer
vor seinem Amtssitz in Kiew aufgezeichneten Videobotschaft. Das Land habe nun
die definitive Gewissheit, ein vollwertiges Mitglied der EU zu werden. Dabei
erinnerte der Staatschef auch an die Unterzeichnung des Beitrittsgesuchs am
fünften Tag der russischen Invasion Ende Februar 2022. Mit Selenskyj waren
Regierungschef Denys Schmyhal und Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk auf
dem Video zu sehen.

"Viele haben gesagt, das ist nicht mehr als ein Traum", sagte Selenskyj.
Nach "Tausenden von Treffen und Telefonaten" habe Kiew jedoch die Bedingungen
für die Aufnahme der Gespräche dank der Entschlossenheit des ukrainischen Volkes
erfüllt.

Parlamentspräsident Stefantschuk zeigte sich überzeugt, dass die Ukraine den Beitrittsprozess in Rekordzeit absolvieren werde. "Wir haben alle notwendigen
Gesetze verabschiedet und werden das auch weiter tun, damit die Ukraine nie
wieder vom europäischen Haus gelöst wird", unterstrich er. Ministerpräsident
Schmyhal sagte zum angestrebten EU-Beitritt: "Wir werden dieses Ziel - wie auch
alle anderen unsere Ziele - definitiv erreichen."

EU mahnt weitere Reformen an

Die belgische Außenministerin Lahbib erinnerte unterdessen daran, dass
weitere Fortschritte im Beitrittsprozess an die Erfüllung von Bedingungen
geknüpft sind und theoretisch auch wieder rückgängig gemacht werden können. "Die
EU erwartet von der Ukraine, dass sie weiterhin Verantwortung übernimmt und die
Glaubwürdigkeit ihrer Zusagen und ihres politischen Willens durch die Umsetzung
notwendiger Reformen (...) zeigt", sagte sie.

Als konkretes Beispiel nannte sie Reformen in den Bereichen
Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte, die Stärkung der demokratischen
Institutionen und eine Reform der öffentlichen Verwaltung. Besonderes Augenmerk
sollte demnach auf die Justizreform, den Kampf gegen Korruption sowie den Schutz
und die diskriminierungsfreie Behandlung von nationalen Minderheiten gelegt
werden. Letzterer Punkt ist vor allem für das EU-Land Ungarn wichtig, das eine
ungarische Minderheit in der Ukraine als benachteiligt ansieht und immer wieder
mit einer Blockade des Beitrittsprozesses gedroht hat.

Auf der Tagesordnung der ersten Regierungskonferenzen am Dienstag stand vor
allem eine Vorstellung der Leitlinien und Grundsätze für die Verhandlungen durch
die EU. Erste inhaltliche Gespräche dürften nach Angaben von Diplomaten im
Verlauf der nächsten zwölf Monate beginnen. Bis dahin muss die EU-Kommission
noch in einem sogenannten Screening prüfen, inwieweit das nationale Recht der
Beitrittskandidaten noch vom EU-Recht abweicht.

Von der Leyen: Weg ist anspruchsvoll, aber voller Chancen

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte am Dienstag, dass die Eröffnung der Verhandlungen eine sehr gute Nachricht für die Menschen in der
Ukraine, in Moldau und in der gesamten Europäischen Union sei. "Der vor uns
liegende Weg wird anspruchsvoll, aber auch voller Chancen sein", schrieb sie auf
der Plattform X./aha/DP/jha

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