01.07.2024 15:50:22 - dpa-AFX: HINTERGRUND: Schulterschluss von Macron und Linken gegen Sieg der Rechten

PARIS (dpa-AFX) - Nach dem Wahlerfolg des Rassemblement National in der
ersten Runde der Parlamentswahl in Frankreich scheint eine Regierung der
Rechtsnationalen wahrscheinlicher denn je. Marine Le Pens RN könnte Prognosen
zufolge am kommenden Sonntag stärkste Kraft in der Nationalversammlung werden.
Die Rechtsnationalen träumen gar von der absoluten Mehrheit. Präsident Emmanuel
Macron und das linke Lager wollen eine rechte Regierung um jeden Preis
verhindern und sind dafür zu einem Bündnis weit über die Parteigrenzen hinaus
bereit.

Mögliche neue Brandmauer gegen Rechts

Auch wenn das RN in der ersten Wahlrunde am Sonntag deutlich vorn landete,
ist nicht entschieden, wie viele Sitze die Rechtspopulisten in der
Nationalversammlung stellen werden. Nur 76 französische Abgeordnete wurden in
der ersten Runde gewählt, darunter die Führungsfigur Marine Le Pen. Alle anderen
der 577 Sitze werden in Stichwahlen am 7. Juli vergeben.

Aufgrund der hohen Wahlbeteiligung von 66,71 Prozent und der starken
Konzentrierung auf die drei politischen Blöcke haben sich in ungewöhnlich vielen
Wahlkreisen gleich drei Kandidaten für diesen zweiten Wahldurchgang
qualifiziert. Französische Medien berichteten am Montag von gut 300 möglichen
Triellen.

Um sich nicht gegenseitig Stimmen wegzunehmen und dem RN damit lokal zum
Sieg zu verhelfen, hieß es aus Macrons Partei und dem Linksbündnis, man werde
überall dort, wo man auf dem dritten Platz gelandet sei, zugunsten der
Kandidaten zurücktreten, die RN schlagen können. Die Parteien hoffen darauf,
dass die sogenannte Brandmauer gegen Rechts Le Pen auf ihrem Vormarsch erneut
aufhält.

Arbeiter stimmen für Rechts, Senioren für Macron

RN und Verbündete erzielten laut vorläufigem Endergebnis 33,15 Prozent der
Stimmen. Das Linksbündnis lag demnach bei 27,99 Prozent, während das Lager von
Präsident Emmanuel Macron auf 20,04 Prozent kam. Die bürgerliche Rechte landete
bei 10,23 Prozent.

Die Wahlbeteiligung lag mit 66,71 Prozent deutlich höher als zuletzt. Keines der Lager profitierte davon aber stärker als andere. Während das
Mehrheitswahlrecht es dem RN früher schwer machte, ist dies aufgrund des
deutlich gewachsenen Zuspruchs für die Partei und deren stärkere lokale
Verankerung nun nicht mehr der Fall.

Die Rechtsaußenpartei punktete besonders in ihrer Stammwählerschaft unter
Arbeitern und Menschen ohne höheren Bildungsabschluss. Sie konnte aber auch
anderswo mehr Stimmen gewinnen, etwa bei Menschen unter 35 Jahren.

Das Mitte-Lager von Frankreichs Präsident Macron erhielt erneut vor allem
Stimmen von Senioren sowie finanziell Bessergestellten. Das neue Linksbündnis
Nouveau Front Populaire wurde vor allem von Jüngeren, Städtern und Menschen mit
höheren Bildungsabschlüssen gewählt.

Wahlausgang hat einschneidende Konsequenzen

Ein Sieg des RN in den Stichwahlen hätte schwerwiegende Folgen. Bekommt die
Partei die absolute Mehrheit, wäre Macron faktisch gezwungen, einen Premier aus
ihren Reihen zu ernennen. Denn das Unterhaus kann die Regierung stürzen. Macrons
Macht würde deutlich schrumpfen.

Für Deutschland und Europa hieße das, dass Frankreich unzuverlässiger werden würde. Zwar hat Macron als Präsident in der Außenpolitik die Oberhand. Mit dem
rechtsnationalen Parteichef Jordan Bardella als Premier dürfte er seine Linie
aber kaum ungehindert fortsetzen können. Das RN gibt wenig auf die enge
Zusammenarbeit mit Berlin und steht Brüssel kritisch gegenüber.

Sollte die gemeinsame Front einen Durchmarsch der Rechten tatsächlich
abwenden und keines der Lager eine absolute Mehrheit erlangen, stünde Frankreich
vor zähen Koalitionsverhandlungen. Wird keine Lösung gefunden, dürfte dem Land
politischer Stillstand drohen./rbo/DP/jha

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