10.07.2024 13:55:45 - dpa-AFX: Rechtsaußen im EU-Parlament: AfD bildet eigene Fraktion

BERLIN/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Die Tür zum Club der Schwergewichte der
europäischen Rechten blieb der AfD nach der Europawahl versperrt - nun hat sie
sich im neuen Europaparlament eine eigene Truppe zusammengestellt, ganz rechts
außen mit wenigen Mitgliedern vorrangig aus osteuropäischen Ländern. In der
Diskussion über dieses Bündnis waren in den vergangenen Wochen auch schon die
Begriffe "Hooligan-Truppe" oder "rechtsextreme Resterampe" gefallen. 28
Abgeordnete sollen es nun zunächst sein, 14 davon stellt die AfD, die anderen 14
kommen aus Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Bulgarien, Litauen,
Frankreich und Spanien. Wie kam es dazu, und wo sieht sich diese neue Fraktion?

Große Rechtsparteien verschiedener Länder hatten bereits vorgelegt und sich
kürzlich zu einem neuen Bündnis namens "Patrioten für Europa" im neu gewählten
EU-Parlament zusammengeschlossen. Mit dabei sind unter anderem die Fidesz von
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, das rechtsnationale Rassemblement
National aus Frankreich, die an Italiens Regierung beteiligte nationalistische
Lega, die FPÖ aus Österreich und die ANO aus Tschechien.

Chrupalla: Selfie mit Orban

Zwar steht die AfD dieser neuen Gruppe inhaltlich sehr nah. AfD-Co-Chef Tino Chrupalla hatte beim Eröffnungsspiel der Fußball-EM in München stolz ein Selfie
mit Orban aus dem Stadion bei Instagram gepostet. Und der neu ins EU-Parlament
gewählte AfD-Politiker Marc Jongen klang begeistert: "Wenn es nach mir ginge,
dann würden wir dieser Fraktion auch sehr gerne beitreten." Chrupallas Co-Chefin
Alice Weidel sagte ebenfalls, man sei in Freundschaft verbunden und habe
"unglaubliche inhaltliche Schnittmengen". Trotzdem bleibt die AfD außen vor. Die
Parteien des Bündnisses unterlägen außenpolitischen und außenwirtschaftlichen
Zwängen, auf die man momentan Rücksicht nehmen müsse, antwortete die AfD-Chefin
zuletzt etwas rätselhaft auf die Frage, ob ihre Partei in der Fraktion nicht
gewollt sei.

Vorgeschichte und Fall Krah

In der AfD wird die These vertreten, Orban als ungarischer Regierungschef
könnte von der deutschen Regierung unter Druck gesetzt werden, nicht mit der AfD
zusammenzuarbeiten. Es gibt aber auch eine Vorgeschichte: Vor der Europawahl
hatten europäische Rechtsparteien wie der französische Rassemblement National
von Marine Le Pen die AfD aus ihrer Fraktion im EU-Parlament ausgeschlossen. Die
Deutschen - so die Botschaft - sind der Partei, die in Frankreich nach ganz oben
strebt, zu extrem. Auslöser war ein Interview von AfD-Spitzenkandidat Maximilian
Krah, der in einer italienischen Zeitung als relativierend wahrgenommene
Äußerungen zur nationalsozialistischen SS gemacht hatte. Um wieder
anschlussfähig zu sein, hatten die EU-Abgeordneten der AfD nach der Wahl am 10.
Juni zwar beschlossen, Krah aus ihrer Delegation auszuschließen, aber auch das
brachte keine Annäherung an Le Pen und ihre Verbündeten.

Krah freut sich über neue Fraktion - darf aber nicht mitmachen

Krah hatte das vorhergesagt und für mehr Eigenständigkeit der AfD plädiert.
Diese solle sich nicht von einer ausländischen Partei vorschreiben lassen, mit
wem sie antrete. Nun freut sich der Geschasste öffentlich darüber, dass sich die
AfD stattdessen mit Parteien verbündet, die am äußersten rechten Rand stehen.
Bei "Welt" sagte er, damit werde ein von ihm seit Jahren vorbereitetes Projekt
umgesetzt. "Diese Fraktion ist ein wichtiger Baustein für die dringend
notwendige Transformation der heutigen EU in ein zukunftsfähiges Europa." Krah
allerdings darf auch hier nicht mitspielen. Die AfD-Delegation entschied sich,
die Fraktionsbildung ohne ihn anzugehen. "Die Bedeutung dieses Projektes ist
viel größer als meine eigene Rolle; ich bin deshalb zufrieden und ohne jeden
Groll", sagte Krah.

Bündnis soll "Europa Souveräner Nationen" heißen

Mit wem tut sich die AfD da unter dem gemeinsamen Namen "Europa Souveräner
Nationen" zusammen? Es sind kleine Parteien, die extrem nationalistische, Euro-
und Nato-skeptische, EU-feindliche, teils prorussische und im Fall der
polnischen Konfederacja sogar antisemitische Positionen vertreten. Für die
Konfederacja ist auch Grzegorz Braun im EU-Parlament, der im vergangenen
Dezember weltweit bekannt wurde, als er einen jüdischen Leuchter im Foyer des
polnischen Parlaments mit dem Feuerlöscher löschte. Trotz der Aktion wurde er
nicht aus der Partei ausgeschlossen. Braun wird nach einem Bericht der "Welt"
aber nicht Teil der Fraktion. Die AfD hatte es demnach zur Bedingung gemacht,
mit ihm und auch mit dem Abgeordneten Milan Mazurek der slowakischen Republika
nicht zusammenzuarbeiten.

Es geht (auch) ums Geld

Weidel hatte kürzlich bei ntv gesagt, man verhandele nicht mit Extremisten
und prüfe sehr genau, mit wem man in eine Fraktion gehen könne. "Bevor wir hier
mit Obskuranten zusammengehen, werden wir dann doch sehr selbstbewusst auch
alleine bleiben und über die nächsten Jahre dann sondieren, sollte eine
vernünftige Fraktion nicht zustande kommen." Doch der Druck war groß, denn ohne
Fraktion ist der politische Einfluss einer Partei im Parlament kleiner, und es
gibt weniger Geld - ein Faktor der nach Angaben eines langjährigen AfD-Insiders,
der nicht genannt werden möchte, entscheidend gewesen sein dürfte. Denn
Fraktionen bekommen mehr Mittel etwa für Mitarbeiter, Büroräume und
Veranstaltungen. Sie haben außerdem mehr Redezeit in Debatten und sind beteiligt
an der Festlegung der Tagesordnung des Parlaments.

Bystron spricht von Erfolg

Der vom Bundestag ins EU-Parlament wechselnde AfD-Abgeordnete Petr Bystron,
gegen den vor der Europawahl nach Berichten über mögliche Russlandverbindungen
Ermittlungen wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Geldwäsche aufgenommen
wurden, sprach von einem "Erfolg für die AfD". Die Europawahl habe das
Gleichgewicht im Europaparlament verschoben, sagte er der dpa. "Es gibt jetzt
vier rechts-konservative Fraktionen. Das ist ein Rechtsruck in Europa und das
Ende der linken Mehrheiten." Der ebenfalls neu ins EU-Parlament eingezogene
AfD-Abgeordnete Tomasz Froelich zeigte sich auf Nachfrage "sehr zufrieden". "Das
Framing wird der Fraktion nicht gerecht. Mein Eindruck ist, dass das eine
weltanschaulich gefestigte Fraktion mit vielen gemeinsamen Nennern
ist."/jr/DP/men

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