14.06.2024 15:02:30 - dpa-AFX: WOCHENAUSBLICK: Dax droht weiter Ungemach - Frankreich-Wahl, China-Zolldebatte

FRANKFURT (dpa-AFX) - Am deutschen Aktienmarkt könnte es in der neuen Woche
noch ungemütlicher werden. Neben der kurzfristig anberaumten französischen
Parlamentswahl drücken Sorgen wegen eines möglichen Handelskonflikts mit China
auf die Stimmung. Zudem verpasste die US-Notenbank Fed zuletzt Hoffnungen auf
eine zügige geldpolitische Lockerung trotz erfreulicher Inflationszahlen
postwendend einen Dämpfer.

Börsenfachmann Andreas Lipkow sieht den Dax "in einer
handelstechnischen Gefahrenzone", nachdem ihn die jüngsten Verluste unter die
21- und 50-Tage-Durchschnittslinien gedrückt haben. Diese gelten als
charttechnische Indikatoren für die kurz- bis mittelfristige Entwicklung. Um den
Abwärtstrend zu stoppen, müsse der deutsche Leitindex den Kursbereich um die 18
350 Punkte zurückerobern, betont der Experte.

Noch vor knapp einem Monat hatte der Dax bei fast 18 900 Punkten ein
Rekordhoch erreicht. Obwohl er davon inzwischen um knapp 5 Prozent
zurückgefallen ist, behauptet er seit Jahresbeginn einen Kursanstieg von etwa
7,5 Prozent. Das ist geringfügig mehr als bei seinem Eurozonen-Pendant EuroStoxx
50 und deutlich mehr als beim US-Leitindex Dow Jones Industrial
- entsprechend groß ist die Fallhöhe.

Analystin Claudia Windt von der Landesbank Helaba traut den Börsen indes
eine zumindest moderate Erholung von den jüngsten Rückschlägen zu. Sie setzt
darauf, dass anstehende US-Daten zum wichtigen Einzelhandelsumsatz und zur
Industrieproduktion "die Hoffnungen auf eine Zinssenkung der Fed im September
nicht dämpfen". Dazu sollten die Einkaufsmanagerindizes für die Industrie der
Eurozone sowie der deutsche ZEW-Index weiter eine Konjunkturerholung
signalisieren.

Zuletzt hatte der Rechtsruck bei der Europawahl für trübe Stimmung gesorgt.
Ganz überraschend kam er nicht - wohl aber die Entscheidung von Frankreichs
Präsident Emmanuel Macron, nach dem schlechten Abschneiden seiner Partei eine
Neuwahl des heimischen Parlaments anzuordnen. Bereits Ende Juni steht die erste
Wahlrunde an, die in vielen Fällen wahrscheinlich nötige Stichwahl eine Woche
später. Zu befürchten ist, dass Marine Le Pens rechtspopulistische Partei
Rassemblement National (RN) - ähnlich wie bei der Europawahl - einen klaren Sieg
einfahren wird.

Macrons Schachzug setzte nicht nur den heimischen Aktienmarkt unter Druck,
sondern löste auch einen deutlichen Anstieg der Risikoprämien bei französischen
und italienischen Staatsanleihen aus. Eine rechtspopulistische Regierung könnte
"den Reformkurs Frankreichs in einer ohnehin angespannten Haushaltslage deutlich
erschweren", warnt Helaba-Expertin Windt. Zudem drohten mit dem Erstarken
rechter Parteien, die mehr nationale Souveränität in Europa forderten, die
Konflikte um die europäische Schuldenpolitik wieder aufzubrechen.

Die für eine RN-Regierung nötige absolute Mehrheit sei allerdings
keinesfalls sicher, betonte Mohit Kumar vom Analysehaus Jefferies. Und Ökonom
Raphael Brun-Aguerre von der US-Bank JPMorgan verwies darauf, dass Präsident
Macron auch im Falle einer RN-Regierung einigen Einfluss auf die Gesetzgebung
hätte und binnen eines Jahres erneut Wahlen ansetzen könnte. Zudem sieht
Brun-Aguerre Hinweise dafür, dass die Parteiagenda sich weniger negativ auf die
öffentlichen Finanzen des Landes auswirken könnte als bisher angenommen.

Auch die angedrohten Strafzölle der EU für chinesische Elektroautos und
mögliche Vergeltungsmaßnahmen könnten sich als nicht so gravierend erweisen wie
von einigen Anlegern befürchtet. Zum einen ist bis zur ersten Juliwoche immer
noch eine Einigung zwischen den Streitparteien möglich, womit die Strafzölle
nicht in Kraft träten. Und zum anderen seien Umfang und Wirksamkeit der
angekündigten Reaktion unsicher, "insbesondere da die chinesische
Wirtschaftsentwicklung gegenwärtig mehr denn je vom Außenhandel abhängig ist",
wie Chefvolkswirt Ulrich Kater von der Dekabank betont.

Über die chinesische Wirtschaftsverfassung liefern die am Montag anstehenden Industrieproduktionsdaten neue Erkenntnisse. Das verarbeitende Gewerbe war in
den vergangenen Monaten der Dekabank zufolge die wichtigste Stütze.

Tags darauf wird neben US-Daten zu Einzelhandel und Industrieproduktion der
ZEW-Index veröffentlicht, der die Konjunkturerwartungen für die deutsche
Wirtschaft misst. Am Donnerstag dürfte der Zinsentscheid der britischen
Notenbank einen Blick wert sein und am Freitag neben Einkaufsmanagerindizes der
Industrie aus der Eurozonen und den USA der große Verfallstermin an den
Terminbörsen.

Die Unternehmensagenda in der neuen Woche ist übersichtlich. Neben
Kapitalmarktveranstaltungen des Diagnostikspezialisten Qiagen am
Montagabend sowie des Konsumgüterherstellers Beiersdorf am
Dienstag zeichnen sich keine wichtigen Termine ab./gl/jkr/mis

--- Von Gerold Löhle, dpa-AFX ---
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