21.05.2024 15:22:08 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP 2: Trauerfeiern für Irans Präsident und Außenminister

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TEHERAN (dpa-AFX) - Im Iran haben Tausende Regierungsanhänger an den
Trauerfeierlichkeiten für die Opfer des Hubschrauberabsturzes am Wochenende
teilgenommen, bei dem Präsident Ebrahim Raisi und Außenminister Hussein
Amirabdollahian ums Leben gekommen waren. Trauernde Menschen strömten laut
Staatsmedien am Dienstag zunächst zu einer Zeremonie in der Stadt Tabris im
Nordwesten des Landes, um Abschied von den Staatsmännern zu nehmen.

Tabris ist die Hauptstadt der Provinz Ost-Aserbaidschan, wo der Unfall am
Sonntag in den Bergen passierte. Von iranischen Nachrichtenagenturen geteilte
Videos zeigten Menschenmassen unter wolkenverhangenem Himmel und einen offenen,
mit Blumen geschmückten Lastwagen mit mehreren Särgen, der langsam durch die
Straßen fuhr. Menschen versuchten, den Lastwagen und die Särge zu berühren. Laut
der Agentur Tasnim wurde auch Innenminister Ahmad Wahidi in der Menge gesichtet.

Raisi und Amirabdollahian waren am Sonntag bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen. Gesicherte Informationen zur Ursache des Absturzes, bei dem auch
die sieben weiteren Insassen an Bord des Helikopters starben, gibt es bislang
nicht. Der Generalstabschef der Streitkräfte, General Mohammed Bagheri, ordnete
eine gründliche Untersuchung an.

Präsidentschafts-Neuwahlen für Ende Juni fixiert

Teheran verlor zwei seiner bekanntesten Politiker zu einem schwierigen
Zeitpunkt. Das Land steckt in einer massiven Wirtschaftskrise, viele Iranerinnen
und Iraner sind unzufrieden mit der politischen Führung. Dazu kommt, dass die
Spannungen in der Region infolge des Gaza-Kriegs enorm stiegen - zuletzt war es
auch zu direkten Angriffen zwischen Teheran und seinem Erzfeind Israel gekommen.

Die Amtsgeschäfte des Präsidenten hat Raisis erster Vize, Mohammed Mochber,
übernommen. Neuwahlen sollen am 28. Juni stattfinden. Kandidaten können sich
laut der Staatsagentur Irna vom 30. Mai bis 3. Juni registrieren lassen.

Der Wächterrat, ein erzkonservatives Gremium besetzt mit islamischen
Geistlichen und Juristen, entscheidet dann über die Eignung der Bewerber.
Insbesondere Politiker des Reformlagers wurden in der Vergangenheit oft vor der
Wahl ausgeschlossen. Das politische System des Irans vereint sowohl
republikanische als auch theokratische Züge.

Nach einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung von 41 Prozent bei den
Parlamentswahlen könnte der Wächterrat unter Druck stehen, mehr Wettbewerb im
Wahlkampf zuzulassen, um ausreichend Legitimität für den neuen Präsidenten
sicherzustellen. Ein iranischer Professor im Ruhestand vermutete jedoch, dass
dies inzwischen keine große Rolle mehr spiele und das System noch autokratischer
werde.

Anders als in vielen Ländern ist der Präsident im Iran nicht das
Staatsoberhaupt, sondern bloß Regierungschef. Die eigentliche Macht konzentriert
sich auf den Religionsführer, der in allen strategischen Belangen das letzte
Wort hat. Seit 1989 ist das Ajatollah Ali Chamenei.

Trauerzeremonien auch in Teheran und der Pilgerstadt Ghom

Trauerzeremonien für den gestorbenen Präsidenten Raisi und die anderen Opfer waren neben Teheran auch in der religiösen Hochburg und Pilgerstadt Ghom
geplant. Bei der Ankunft der Särge am Flughafen in Teheran zur Überstellung nach
Ghom spielte eine Militärkapelle, wie ein Video der Agentur Irna zeigte. Die
Leichname wurden über einen roten Teppich getragen. In der Hauptstadt Teheran
wurden wegen des Trauerzugs eine Reihe von Verkehrsbeschränkungen verhängt.
Irans Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei hatte eine fünftägige Staatstrauer
angeordnet.

Raisi soll am Donnerstag im schiitischen Zentrum seiner Heimatstadt
Maschhad, dem Heiligtum von Imam Resa, beigesetzt werden. Zum Begräbnis Raisis
werden auch hochrangige Vertreter befreundeter Staaten erwartet. Russland wollte
etwa Parlamentschef Wjatscheslaw Wolodin schicken.

Während Regierungsanhänger um Raisi trauerten, begrüßten andere im Land den
Verlust eines Politikers, den sie als wichtige Figur der politischen Führung in
Teheran sahen, die Andersdenkende unterdrückt und hinrichten lässt. Unter Raisis
Regierung wurden die Repressionen im Land verschärft, zahlreiche Journalisten
und Aktivisten inhaftiert. Auch Schadenfreude wurde ausgedrückt.

Scholz kondoliert ungewöhnlich kurz

In einem am Dienstag veröffentlichten, ungewöhnlich kurzen
Kondolenzschreiben an den Vizepräsidenten Mohammed Mochber teilte Bundeskanzler
Olaf Scholz der Regierung in Teheran und den Familien der Toten sein Beileid
mit. "Unser Beileid gilt der Regierung der Islamischen Republik Iran und den
Familien der beim Absturz Getöteten", hieß es darin.

Für Mittwoch ist laut Nachrichtenagentur Tasnim ein landesweiter Feiertag
angesetzt worden. Geplant ist eine weitere Trauerprozession in Teheran, am
Nachmittag soll zudem eine Zeremonie zu Ehren der Absturzopfer in Anwesenheit
hochrangiger ausländischer Würdenträger stattfinden./vee/DP/ngu

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