09.07.2024 20:54:01 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: Scholz vertraut auf Biden - Nato-Gipfel startet

(Aktualisierung: mit Selenskyj-Ankunft, Stoltenberg-Äußerung)

WASHINGTON (dpa-AFX) - Der Nato-Gipfel wird zur Bewährungsprobe für Joe
Biden. Die Fitness des US-Präsidenten steht mit Blick auf eine erhoffte
Wiederwahl selbst im eigenen politischen Lager in Frage. Unterstützung und
Vertrauen sprach hingegen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dem 81-jährigen
Demokraten aus. Vor dem Jubiläumstreffen der Staats- und Regierungschefs in
Washington wischte Scholz Befürchtungen einer Überforderung des Gastgebers weg.
"Nein, diese Sorge habe ich nicht", sagte der Kanzler vor der Abreise.

Biden wollte mit dem scheidenden Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg den
Gipfel zum 75. Geburtstag des Bündnisses feierlich eröffnen - sein erster
Auftritt im Rampenlicht des dreitägigen Treffens.

Er wisse aus vielen Gesprächen mit Biden, dass dieser den Gipfel gut und
präzise vorbereitet habe. "Viele der Entscheidungen, die jetzt dort getroffen
werden und vorbereitet sind, sind ja im engsten Einvernehmen zwischen
Deutschland und den USA entwickelt worden", sagte Scholz. "Insofern wird das
auch ein sehr erfolgreicher Gipfel sein."

Die Nato feiert bei dem dreitägigen Treffen ihren 75. Geburtstag. Dabei
steht das auf 32 Alliierte gewachsene Bündnis vor ernsten Herausforderungen. Vor
allem braucht es Garantien für eine stetige militärische Unterstützung der
Ukraine, auch wenn Donald Trump, der republikanische Kontrahent Bidens, bei der
Präsidentenwahl im November gewinnen sollte.

Fitness des Gastgebers Biden dominiert Schlagzeilen in den USA

Biden kämpft um seine Präsidentschaftskandidatur. Belastet durch das
verpatzte TV-Duell gegen Trump ging der Demokrat vor dem Gipfel nochmals in die
Offensive und schlug konfrontative Töne gegenüber Parteikollegen an. Biden
wandte sich mit einem deutlichen Brief an die Demokraten im Kongress und rief in
einem für ihn ungewöhnlichen Schritt bei einer Live-Sendung im
US-Frühstücksfernsehen an.

Nato will Rüstungsindustrie ankurbeln

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg kündigte am Dienstag vor dem
offiziellen Start eine neue Vereinbarung zur Stärkung der Verteidigungsindustrie
an. Es gehe darum, mehr zu investieren, die Produktion auszubauen und die
transatlantische Zusammenarbeit zu verbessern, erklärte er vor Vertretern von
Rüstungsunternehmen in Washington.

Der Krieg in der Ukraine habe gezeigt, dass die Bestände an Waffen und
Munition zu klein und die Produktionskapazitäten zu gering seien, sagte
Stoltenberg. Zudem gebe es bedeutende Lücke bei der Interoperabilität, also der
Fähigkeit von Streitkräften zur multinationalen Zusammenarbeit.

Scholz: Ukraine so lange beistehen wie erforderlich

Scholz sicherte der Ukraine langfristige Unterstützung gegen den russischen
Angriffskrieg zu. "Und es ist gut, dass wir das in den letzten Tagen noch einmal
verstärkt haben mit einer ganz klaren Botschaft: Wir werden der Ukraine so lange
beistehen, wie das erforderlich ist", sagte Scholz und verwies auf
Waffenlieferungen und die gemeinsame Initiative der wichtigsten
Industriestaaten.

Die G7-Staaten hatten sich bei ihrem Gipfel in Italien darauf verständigt,
mithilfe von Zinsen aus eingefrorenem russischen Staatsvermögen ein Kreditpaket
im Umfang von etwa 50 Milliarden US-Dollar (etwa 47 Mrd. Euro) zu finanzieren.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj traf in Washington mit hohen
Erwartungen ein. Er erhofft sich eine klarere Beitrittsperspektive für sein Land
und eine stärkere militärische Unterstützung im Krieg gegen Russland.
Insbesondere erwartet Kiew neue Zusagen bei Flugabwehrsystemen.

Die Ukraine wird seit über zwei Jahren bei der Abwehr der russischen
Invasion vom Westen unterstützt.

Scholz versteht Ärger um Verteidigungsausgaben nicht

Die Ampel-Regierung von Scholz hatte noch vor dem Gipfel einen Haushalt für
2025 auf die Beine gestellt. Der Posten für die Bundeswehr wächst um gut 1,2
statt der von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) angemeldeten 6,7
Milliarden Euro. Pistorius nannte das auf seinem Weg nach Washington ärgerlich.

Scholz machte nun noch einmal deutlich, dass er in dem Haushaltskompromiss
der Ampel-Spitze eine ausreichende Finanzierungsgrundlage sieht. Zugleich
richtete er den Blick über die Amtszeit der Koalition hinaus und bekräftigte die
Zusage langfristig höherer Verteidigungsausgaben.

"Die Bundeswehr kann davon ausgehen, dass Deutschland eine Nato-Quote von
zwei Prozent in den nächsten Jahren immer einhalten wird und deshalb kann sie
auch in den ganzen 20er Jahren und in den beginnenden 30er Jahren Bestellungen
wirksam werden lassen, die für die Sicherheit des Landes wichtig sind", sagte
Scholz. Der Verteidigungshaushalt soll nach seinen Vorstellungen von 2028 an -
wenn das sogenannte Sondervermögen für die Bundeswehr verbraucht ist
- auf 80 Milliarden Euro steigen.

Neulinge und Querulanten beim Gipfel

Schlagzeilen machte vor dem Gipfel Nato-Mitglied Ungarn. Der ungarische
Regierungschef Viktor Orban besuchte Putin in Moskau - und wurde dafür aus der
EU scharf kritisiert. In einem Brief an seine Amtskollegen gab er nun Einblick
in dessen Sicht auf den Angriffskrieg gegen die Ukraine. In dem Schreiben, das
der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel vorliegt, legt er die Sichtweise Putins
auf den Krieg gegen die Ukraine dar.

Zum ersten Mal nach dem Beitritt nimmt Schweden an einem Nato-Gipfel teil.
Unter dem Eindruck des am 24. Februar 2022 begonnenen Angriffskrieges Russlands
hatten Schweden und auch Finnland ihre Neutralität aufgegeben.

Für Nato-Generalsekretär Stoltenberg wird es der letzte reguläre Gipfel vor
dem Abschied sein. Er übergibt sein Amt zum 1. Oktober nach zehn Jahren an den
früheren niederländischen Regierungschef Mark Rutte./trö/DP/he

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