26.06.2024 15:29:37 - dpa-AFX: EM 2024/ROUNDUP/Völler warnt auch ohne Brandherde: EM geht jetzt neu los

HERZOGENAURACH (dpa-AFX) - Julian Nagelsmann scheuchte die
Fußball-Nationalspieler nach einem Tag mit Pool- und Freizeitspaß bei brütender
Hitze wieder über den Trainingsplatz in Franken. Die öffentliche Einstimmung
samt deutlichem Warnsignal vor dem ersten K.o.-Duell mit Dänemark überließ der
Bundestrainer am Mittwoch aber Rudi Völler - wie auch das neueste Bulletin zum
Gesundheitszustand von Abwehrchef Antonio Rüdiger.

Mit der Erfahrung aus fünf Fußball-Jahrzehnten saß der Sportdirektor im gut
klimatisierten Medienzentrum, nahm einen Schluck aus seiner Kaffeetasse und
schlüpfte kurz in die Rolle des Mahners. Optimismus ist erlaubt, aber die Sinne
müssen jetzt unbedingt geschärft sein. Sonst ist die tolle EM-Stimmung schon am
Wochenende verpufft. "Jetzt ist ein neuer Wettbewerb, jetzt ist K.-o.-System,
Achtelfinale, jetzt zählt's. Und wir sind gewappnet", sagte der 64-Jährige am
Mittwoch in Herzogenaurach.

Erinnerung an 1992

Danish Dynamite hat sein Gefahrenpotenzial im deutschen Fußball-Bewusstsein
nicht verloren. Auch Völler erinnerte sich natürlich an jenes legendäre
EM-Finale 1992, als er mit gebrochenem Arm vergeblich als Glücksbringer zurück
zur deutschen Mannschaft flog. Das 0:2 im Finale musste er gegen die dänischen
EM-Urlauber von der Tribüne aus verfolgen.

Alles Geschichte, meint Völler heute. Für ihn zählt nur 2024. Ganz
"wunderbar" sei die Nationalmannschaft, ganz "wunderbar" sei Nagelsmann als
Trainer und Mensch, holte Völler in seinem typisch launigen
Tante-Käthe-Erzählstil aus. Aber die EM, die geht nach einer formidablen
Gruppenphase mit Gute-Laune-Fußball und notwendiger Widerstandskraft eben
nochmal von vorne los.

Dänemark ist für Völler nach dem TV-Studium auf dem Riesenbildschirm im Home Ground der logische deutsche Gegner im EM-Achtelfinale am Samstag (21.00
Uhr/ZDF/Magenta TV). Natürlich lobte er den Kontrahenten, wie es sich in der
Branche aus Respekt, aber auch aus einer Spur Selbstschutz und Vorsicht gehört.
"Das ist ein brandgefährlicher Gegner, das wissen wir", sagte er.

Dortmund als großer Faktor

Das entscheidende Feuer hat Völler aber bei Nagelsmann und den eigenen
Nationalspielern ausgemacht. Und mit dem Faktor Dortmund, dem Stadion mit der
magischen Fußball-Energie, soll der Einzug ins Viertelfinale schon gelingen.
"Diesen Optimismus, das Selbstvertrauen haben wir uns redlich verdient. Diese
Zuversicht, dass wir in die nächste Runde einziehen wollen, die haben wir auf
jeden Fall", sagte Völler.

Nach eineinhalb Jahren im Amt fühlt er sich bei dieser EM um seine
Kernaufgabe beraubt. Als emotionaler Feuerwehrmann war er nach dem WM-Desaster
in Katar Nagelsmanns Vorgänger Hansi Flick zur Seite gestellt worden. Und jetzt?
Im EM-Sommer 2024? Brände? "Die gab es bisher nicht", sagte Völler. Und da ist
er gar nicht böse drum.

Zu einem vergleichsweise moderaten Krisenbericht sah sich Völler bei der
Abwehrlage veranlasst. Die gute Nachricht: Rüdiger konnte drei Tage nach der
Zerrung im rechten Oberschenkel im Fitnesszelt neben dem Trainingsplatz wieder
eine leichte Laufeinheit absolvieren. Teamtraining war wegen der Blessur aus dem
Schweiz-Spiel noch nicht drin.

Ausgeschlossen ist ein Einsatz am Samstag nach offizieller Sprachregelung
auch nicht. "Am Ende wird es Toni zusammen mit dem Trainer und der medizinischen
Abteilung entscheiden. Im Moment ist es zu früh, irgendwas Endgültiges zu
sagen", ließ Völler wissen.

Ungewollte Transfer-News

Sollte Rüdiger neben dem gelb-gesperrten Jonathan Tah auch ausfallen, will
Völler bloß keine Panikgefühle aufkommen lassen. "Es gibt keine negativen
Gedanken, dass es nicht gut gehen könnte", sagte er. Nico Schlotterbeck habe
gegen die Schweiz gut gespielt. Und Waldemar Anton? Auch dem traut er einen
EM-Einsatz zu. Bei Anton aber verplapperte sich Völler auch ein wenig. Der
Stuttgarter habe viele Angebote gehabt und sich für Dortmund als künftigen
Arbeitgeber entschieden. Eine Transfernews in der DFB-Pk? Völler relativierte
später ein wenig. Aber die Info war plötzlich interessanter als der Oberschenkel
von Rüdiger.

Klar ist durch Völlers Anton-Hinweis weiterhin, dass Nagelsmann auch bei
Ausfällen strikt an seinem EM-Rollenmodell festhält. Gedankenspiele mit Emre Can
als Ersatzinnenverteidiger - wie vom früheren Nationalelf-Kapitän Michael
Ballack favorisiert - gibt es nicht.

Argumente für Havertz

Im Angriff wird der Fan-Wunsch nach einem Starteinsatz von Torheld Niclas
Füllkrug anstelle von Kai Havertz nicht erfüllt werden. Völler legte sich in der
großen deutschen Stürmer-Diskussion nicht fest. Aber bei einer Beschreibung der
jeweiligen Stärken ließ der 64-Jährige erkennen, in welche Richtung Nagelsmann
denkt.

"Die Quote von Fülle ist sicherlich außergewöhnlich", sagte Völler. 13 Tore
in 19 Länderspielen hat der 31 Jahre alte Füllkrug erzielt. Aber: "Du brauchst
auch einen spielenden Mittelstürmer, das kann Kai wunderbar lösen. Er macht das
auf seine Art aber auch außergewöhnlich gut", sagte Völler. Havertz steht gegen
die Dänen vor seinem 50. Einsatz für Deutschland./aer/DP/jha

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