01.07.2024 06:00:07 - dpa-AFX: ROUNDUP: Tausende ultraorthodoxe Juden protestieren gegen Wehrpflicht

JERUSALEM (dpa-AFX) - In Israel eskaliert der Streit um die Einführung der
Wehrpflicht für ultraorthodoxe Juden. Tausende streng religiöse Männer
protestierten gestern in Jerusalem wutentbrannt gegen die gerichtlich verfügte
Verpflichtung zum Wehrdienst in der israelischen Armee. Laut örtlichen
Medienberichten kam es am Abend in der Stadt zu gewaltsamen Zusammenstößen mit
der Polizei. Mit berittenen Beamten und einem Wasserwerfer gingen die
Einsatzkräfte demnach gegen aufgebrachte Demonstranten vor.

Nach Angaben der Polizei flogen aus den Reihen der schwarz gekleideten
streng religiösen Männer Steine und Gegenstände auf die Beamten, Mülltonnen
brannten. Mehrere Polizisten seien verletzt worden, berichtete die "Times of
Israel" in der Nacht. Fünf Randalierer seien festgenommen worden. Auslöser der
wütenden Proteste war ein kürzlich ergangenes Urteil des höchsten Gerichts des
jüdischen Staates, wonach fortan auch ultraorthodoxe Männer zum Wehrdienst in
der Armee verpflichtet werden müssen. Das Urteil erfolgte vor dem Hintergrund
des Gaza-Krieges und des Konflikts mit der Hisbollah-Miliz im Libanon.

"Wir werden sterben"

Die Demonstranten trugen laut der "Times of Israel" Schilder mit der
Aufschrift "Wir werden nicht in die feindliche Armee eintreten" und "Wir werden
sterben" statt in der Armee zu dienen. Die Ultraorthodoxen empfinden den
Militärdienst als Bedrohung ihres frommen Lebensstils, auch weil Frauen und
Männer gemeinsam dienen. Männer müssen in Israel regulär drei Jahre, Frauen zwei
Jahre Wehrdienst leisten. Jahrzehntelang galten Ausnahmen für ultraorthodoxe
Männer bei der Wehrpflicht. Diese liefen aber vor drei Monaten aus.

Das Urteil des höchsten Gerichts gilt als schwerer Rückschlag für die
rechtsreligiöse Regierung des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Das Thema
Wehrpflicht war zuletzt immer mehr zu einer Zerreißprobe für seine Koalition
geworden. Beobachter sehen die Stabilität des Bündnisses durch den Streit
gefährdet, weil sich die Regierung auch auf streng religiöse Partner stützt, die
eine Einberufung junger Männer aus ihrer Gemeinschaft strikt ablehnen.

Einige Demonstranten griffen der "Times of Israel" zufolge das Auto des
Vorsitzenden der ultraorthodoxen Partei Vereinigtes Tora-Judentum an, als dieser
auf dem Weg nach Hause war. Medienberichten zufolge bewarfen die Demonstranten
den Wagen mit Steinen und beschimpften den Parteivorsitzenden, als er
vorbeifuhr. Der israelische Sender Kan veröffentlichte auf der Plattform X ein
Video, in dem zu sehen ist, wie Ultraorthodoxe sein Auto umringen. Die Polizei
griff laut Medienberichten ein und brachte ihn in Sicherheit.

Am Streit um ein Gesetz, das schrittweise mehr streng religiöse Männer zum
Dienst an der Waffe verpflichten sollte, war bereits 2018 die
Regierungskoalition zerbrochen. Netanjahus Regierung war es nun nicht gelungen,
ein Gesetz zu verabschieden, das die Erleichterungen zementieren sollte.
Daraufhin verfügte das höchste Gericht eine Streichung der staatlichen
Subventionen für Ultraorthodoxe im wehrpflichtigen Alter, die in
Religionsschulen studieren.

Armee warnt vor Soldatenmangel

Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara entschied Ende März zudem, dass das Militär verpflichtet sei, auch die bisher weitgehend vom Dienst befreiten
Religionsstudenten einzuziehen. Laut Gericht handelt es sich um 63.000 Männer.
Viele Israelis empfinden es als ungerecht, dass Ultraorthodoxe vom Dienst an der
Waffe und gefährlichen Kampfeinsätzen ausgenommen sind. Es gibt allerdings auch
ultraorthodoxe Männer, die freiwillig dienen. Die Armee warnte zuletzt
angesichts des Gaza-Kriegs vor einem Mangel an Kampfsoldaten.

Soldaten bei Drohnenangriff verletzt

Bei einem Drohnenangriff auf die nördlichen Golanhöhen wurden nach Angaben
der israelischen Armee 18 ihrer Soldaten verletzt. Einer von ihnen sei mit
schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht worden, teilte das Militär mit.
Die Luftwaffe habe als Reaktion auf den Angriff Stellungen der proiranischen
Hisbollah-Miliz im Südlibanon attackiert. Dabei sei auch eine Abschussrampe
bombardiert worden, von der ein Projektil auf den Norden Israels abgefeuert
worden sei. Zusätzlich habe die eigene Artillerie in mehreren Gebieten im
Südlibanon "Bedrohungen beseitigt". Unabhängig überprüfen ließen sich die
Angaben nicht.

Israel und die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah liefern sich seit Beginn des Gaza-Kriegs vor rund neun Monaten Schusswechsel, deren Intensität zuletzt
deutlich zunahm. Die Miliz erklärte wiederholt, Israel müsse den Krieg in Gaza
gegen die mit ihr verbündete islamistische Hamas beenden, bevor sie mit dem
Beschuss Israels aufhöre. Es gibt Sorgen, dass sich ein möglicher offener Krieg
zwischen Israel und dem Libanon zu einem regionalen Konflikt ausweiten könnte,
in den auch die USA und der Iran hineingezogen werden könnten./ln/DP/zb

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