08.07.2024 13:34:23 - dpa-AFX: HINTERGRUND/Virtuelle EM-Bandenwerbung: Zugeschnitten auf drei Länder

BERLIN (dpa-AFX) - Die Spiele der Fußball-EM in Deutschland werden live in
die ganze Welt gesendet. Aber nicht alle Fans in den Stadien und vor den
Bildschirmen sehen immer dieselben Bilder. Wenn etwa den deutschen TV-Zuschauern
die Bandenreklame eines großen niedersächsischen Geflügelschlachters ins Auge
sticht, bekommen Amerikaner und Chinesen nichts davon mit. Auch die Leute in der
Arena sehen diese Reklame auf den LED-Banden rund um das Spielfeld nicht. Der
Grund dafür ist eine spezielle Technologie.

Die Europäische Fußball-Union UEFA produziert speziell zugeschnittene
Werbung für TV-Zuschauer in Deutschland, China und den USA - mit virtuell
angepassten Werbebanden. Das bedeutet, dass in den jeweiligen Ländern bei den
Live-Spielen teils unterschiedliche Werbeeinblendungen auf den LED-Banden
gezeigt werden. "So sieht zum Beispiel ein Zuschauer im Stadion
Coca-Cola-Werbung in englischer Sprache auf den Werbetafeln, während ein
Fernsehzuschauer in Deutschland eine ähnliche Coca-Cola-Werbung, aber in
deutscher Sprache sieht", erklärte die UEFA der Deutschen Presse-Agentur.

KI-Premiere bei einer EM

Bei der Technologie werde Künstliche Intelligenz eingesetzt, um die
Werbetafeln in Echtzeit zu überblenden. Die Werbung werde laut UEFA aber nur auf
der Hauptübertragungskamera während des Spiels virtuell ersetzt. Bei anderen
Kamerawinkeln werde die Werbung auf den Banden nicht angepasst.

Die UEFA testete das Prozedere in den vergangenen sechs Jahren. Erstmals zum Einsatz kam virtuelle Bandenwerbung beim Super Cup 2021, wie der Verband
mitteilte - nun wird die Technologie erstmalig bei einer Europameisterschaft
verwendet. Seit der Saison 2018/19 gibt es in der Bundesliga die Möglichkeit für
virtuelle Bandenwerbung.

Christoph Breuer, Professor für Sportökonomie und Sportmanagement an der
Deutschen Sporthochschule in Köln, spricht von einer größeren Wirkung, die die
Sponsoren durch virtuelle Werbung erzielen. Markenbotschaften von UEFA-Sponsoren
könnten so in den jeweiligen Landessprachen gezeigt werden. Und es ist möglich,
nationale Sponsoren zusätzlich einzublenden.

Spezieller Hinweis bei ARD und ZDF

"Technisch ist es seit mehreren Jahren möglich die Übertragungsbilder in
Echtzeit zu verändern, ohne dass es der TV-Zuschauer merkt", sagt Breuer. Gerade
im US-Sport werde die Technologie schon lange genutzt, mittlerweile auch
verstärkt in Asien. In diesen Ländern erscheinen Markenlogos oft auch auf dem
Spielfeld. "Die europäischen Sportveranstalter waren hierbei lange sehr
zurückhaltend", merkt er an. Bei der EM werde virtuelle Werbung nur sehr dosiert
eingesetzt - technisch wäre viel mehr möglich.

Bei den Übertragungen kennzeichnen ARD und ZDF am Anfang und Ende der
Sendung, dass virtuelle Werbung eingesetzt wird. Auch im Medienstaatsvertrag
wird festgehalten, dass in Sendungen darauf hingewiesen werden muss. Dort steht
auch, dass virtuelle Werbung nur zulässig sei, wenn die "am Ort der Übertragung
ohnehin bestehende Werbung ersetzt wird". Somit sollen also keine zusätzlichen
virtuellen Werbeflächen geschaffen werden.

Experte: Faire Maßnahme

Breuer hält die neuartige Werbeform für unproblematisch. "Es wird ja nicht
mehr Werbung gezeigt, sondern nur geschickter", sagt er. Zudem werde klar
kommuniziert, dass die gezeigten Bilder nicht 1:1 dem entsprachen, was
Stadionbesucher sehen. "Auf dieser Basis halte ich das Vorgehen für eine faire
Maßnahme zur Steigerung der Wertschöpfung", sagt Breuer.

"Problematischer wäre es, wenn zusätzliche Werbeflächen eingebaut würden,
die der Stadionsituation überhaupt nicht entsprechen", gibt der Sportökonom zu
Bedenken. Das sei der Fall, wenn beispielsweise im Mittelkreis, Fünfmeterraum
oder an den Ecken Markenlogos virtuell eingeblendet würden. Ob die UEFA solche
Maßnahmen in Zukunft plant, ließ sie auf Anfrage offen./pul/DP/men

--- Von Philip Dulian, dpa ---

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