03.07.2024 11:41:25 - dpa-AFX: CO2-Projekte in China: Union verlangt Aufklärung von Lemke

BERLIN (dpa-AFX) - In der Affäre um möglicherweise gefälschte
Klimaschutz-Zertifikate verlangt die Union von Bundesumweltministerin Steffi
Lemke (Grüne) lückenlose Aufklärung. "Wir sehen immer stärker, dass monatelang
nicht gehandelt wurde. Und das muss aufgeklärt werden", sagte die
umweltpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Anja Weisgerber, der
Nachrichtenagentur dpa. Es gehe um ein "Kontrollversagen", für das Lemke die
Verantwortung trage. Sie müsse die Aufklärung daher "zur Chefsache machen",
betonte Weisgerber kurz vor der Sitzung des Umweltausschusses im Bundestag. Dort
muss Lemke am Mittag Fragen zu den Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit
Klimaschutzprojekten in China beantworten.

Hintergrund sind Betrugsvorwürfe rund um dort angesiedelte Projekte, mit
denen Mineralöl-Konzerne in Deutschland ihre gesetzlich vorgegebenen Klimaziele
erreichen können. Hierbei können die Konzerne ihre Treibhausgasquoten
verbessern, wenn innerhalb der Lieferkette CO2-Emissionen eingespart werden -
auch im Ausland.

Sie können also Projekte, bei denen im Öl-Sektor Emissionen reduziert
werden, finanzieren und bekommen sie bei Anerkennung entsprechender Zertifikate
für ihre Klimabilanz in Deutschland gutgeschrieben. Diese "Upstream Emission
Reduction"-Projekte (UER) werden dann auf die Treibhausgasminderungsquote im
Verkehr angerechnet. Genehmigt werden die Projekte vom Umweltbundesamt, einer
dem Umweltministerium untergeordneten Behörde.

Amt: Indizien weisen klar auf ein Betrugsgeflecht hin

Nach Angaben des Umweltbundesamts (UBA) haben Nachprüfungen ergeben, dass
von 60 Projekten in China rund 40 Projekte noch einmal intensiv untersucht
werden müssten. Von dieser Dimension geht auch die Union aus. Wie es weiter
heißt, gebe es bei zehn von diesen Projekten mittlerweile "besonders deutliche
Hinweise, die einen Verdacht auf Betrug nahelegen". Daher habe das UBA
Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Berlin gestellt. Es gebe inzwischen
Indizien, die klar auf ein Betrugsgeflecht hinwiesen. Mit anderen Worten:
Deutsche Konzerne haben sich möglicherweise einen Klimaschutzbeitrag anrechnen
lassen, den es nie gegeben hat - weil einige Projekte in China wohl nicht
existiert haben.

UBA-Chef Dirk Messner sagte kürzlich der "Welt am Sonntag", dass die
China-Projekte vor Ort nicht von seinem Haus, sondern durch
Zertifizierungsunternehmen überprüft würden. "Der Überprüfungsmechanismus
basiert auf dem Vertrauen in die Verifizierer und Validierer", sagte er. Das UBA
komme hier "an die Grenzen der Nachweisbarkeit."

Anrechnung wird vorzeitig beendet

Laut Messner hat das UBA Ende August 2023 erste Hinweise erhalten. Lemkes
Ministerium wurde nach eigenen Angaben im letzten Quartal 2023 vom UBA über den
Vorwurf von Unregelmäßigkeiten bei einem Projekt informiert. Ende Januar 2024
dann darüber, dass Marktteilnehmer Vorwürfe gegen mehrere Projekte erheben,
sagte ein Ministeriumssprecher auf Anfrage. Das Ministerium habe daraufhin im
Januar entschieden, die Anrechnung von UER zu beenden. Die CSU-Politikerin
Weisgerber kritisiert, dass dieser Schritt möglicherweise zu spät erfolgt sei.
"Das Umweltbundesamt hätte das Umweltministerium auch früher informieren
müssen."/faa/DP/jha

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