22.05.2024 05:55:03 - dpa-AFX: ROUNDUP/Selenskyj: Lage im Gebiet Donezk extrem schwierig - Nacht im Überblick

KIEW (dpa-AFX) ? Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Lage
an der Front in der Ostukraine im Gebiet Donezk als extrem schwierig bezeichnet.
In den Richtungen Kramatorsk, Kurachowe und Pokrowsk im Gebiet Donezk gebe es
die meisten Kämpfe, sagte Selenskyj in seiner am Dienstagabend verbreiteten
Videobotschaft. Dagegen gelinge es den ukrainischen Streitkräften in der Region
Charkiw, die Besatzer vernichtend zu schlagen. Die Ergebnisse seien spürbar,
sagte Selenskyj nach einem Treffen mit der Militärführung.

Selenskyj sagte auch, dass die westlichen Verbündeten bei einer Sitzung im
sogenannten Ramstein-Format mit den USA an der Spitze erneut über die dringenden
Erfordernisse für den Abwehrkampf gegen die russische Invasion informiert worden
seien. Die Ukraine brauche Flugabwehr, Panzertechnik und Artilleriegeschosse.
Selenskyj sagte, dass er jedem Staat und Partner dankbar sei für die Hilfe. Doch
müssten die Mittel zur Vernichtung des Feindes jetzt kommen, in diesen Wochen ?
"und nicht irgendwann im Sommer".

Der Präsident hatte am Dienstag in Kiew einmal mehr Bundesaußenministerin
Annalena Baerbock (Grüne) empfangen. "Ich habe ihr für all die Unterstützung
gedankt", sagte Selenskyj danach. "Deutschland ist einer unserer wichtigsten
Partner im Sicherheits- und im politischen Bereich und im Kontext unserer
europäischen Integration." Deutschland verstehe, dass im Juni die eigentlichen
EU-Beitrittsverhandlungen für die Ukraine beginnen müssten.

EU-Ratsvorsitz macht Ukraine und Moldau Hoffnung auf Verhandlungsstart

Tatsächlich können die Ukraine und ihr Nachbar Moldau wohl auf einen
schnellen Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen hoffen. Die aktuelle belgische
EU-Ratspräsidentschaft machte am Dienstagabend nach einem Ministertreffen in
Brüssel deutlich, dass sie darauf hinarbeite, bis Ende Juni eine erste Konferenz
der Verhandlungsdelegationen anzusetzen. "Wir tun unser Möglichstes, um eine
Einigung zu erzielen", erklärte die belgische Außenministerin Hadja Lahbib. Es
sei möglich, dass es in den nächsten 40 Tagen zum Verhandlungsstart komme.

Bevor die Beitrittsgespräche beginnen können, müssen die EU-Staaten
einstimmig sogenannte Verhandlungsrahmen billigen. Mit diesen werden Leitlinien
und Grundsätze für die Beitrittsgespräche mit jedem Kandidatenland festgelegt.

Der Beginn von Verhandlungen mit der Ukraine und deren kleinem Nachbarstaat
Moldau war bereits bei einem EU-Gipfel im Dezember grundsätzlich beschlossen
worden. Gleichzeitig wurde aber vereinbart, dass vor dem Verhandlungsstart alle
Reformauflagen erfüllt sein müssen. So waren nach dem letzten schriftlichen
Kommissionsbericht in der Ukraine manche Reformen zur Korruptionsbekämpfung, zum
Minderheitenschutz und zum Einfluss von Oligarchen nicht vollständig umgesetzt.

Russland wirft EU Diebstahl von Vermögen vor

Russlands Vertretung bei der EU in Brüssel kritisierte derweil, dass
Zinserlöse aus blockierten Moskauer Vermögen in Milliardenhöhe künftig für die
Ukraine genutzt werden. Die Europäer gingen einen beispiellosen Schritt des
"Diebstahls" zulasten eines souveränen Staates. Die EU demonstriere der ganzen
Weltgemeinschaft, dass sie sich im Recht sehe, ihr anvertraute Finanzreserven zu
plündern und die Pflicht zum Schutz von Eigentum zu missachten. Diebstahl werde
damit offiziell zum Instrument der Außenpolitik der EU.

Minister aus den EU-Staaten hatten am Dienstag in Brüssel die notwendigen
Entscheidungen dafür getroffen, künftig milliardenschwere Zinserträge aus
eingefrorenem Vermögen der russischen Zentralbank zur Finanzierung von
Militärhilfen für die Ukraine nutzen zu können. Eine politische Verständigung
darauf hatte es bereits vor knapp zwei Wochen gegeben. Allein dieses Jahr sollen
so bis zu drei Milliarden Euro für die Ukraine zusammenkommen.

Nach Kommissionsangaben sind rund 210 Milliarden Euro der russischen
Zentralbank in der EU eingefroren. Das in Brüssel ansässige Finanzinstitut
Euroclear hatte zuletzt mitgeteilt, 2023 rund 4,4 Milliarden Euro an Zinsen
eingenommen zu haben. Die russischen Zentralbank-Gelder durch einen
Enteignungsbeschluss direkt zu nutzen, ist bislang nicht geplant. Als ein Grund
dafür gelten rechtliche Bedenken und wahrscheinliche Vergeltungsmaßnahmen.

Moskau hatte die EU bereits im vergangenen Jahr davor gewarnt, Eigentum des
russischen Staates oder russischer Bürger zu konfiszieren. Denkbar wäre, dass im
Gegenzug auch in Russland tätige Unternehmen aus EU-Ländern zwangsenteignet
werden. Zudem könnte eine direkte Nutzung der russischen Vermögenswerte
Kritikern zufolge auch dazu führen, dass andere Staaten und Anleger das
Vertrauen in den europäischen Finanzplatz verlieren und Vermögen aus der EU
abziehen.

Die russische Vertretung in Brüssel warnte vor unabsehbaren Folgen für das
Investitionsklima in der EU, die nun den Weg der Selbstzerstörung gehe. "Nur
eines ist vorhersehbar - früher oder später werden die Europäer das, was sie
gestohlen haben, an unser Land zurückgeben müssen", hieß es.

Baerbock kritisiert russische Atomübung scharf

Unterdessen setzte Russland seine am Dienstag begonnene Übung der
Nuklearstreitkräfte für einen möglichen Einsatz taktischer Atomwaffen fort.
Außenministerin Annalena Baerbock kritisierte das Manöver scharf. Dass Russland
die Übung nahe der ukrainischen Grenze abhalte, sei ein "Zeichen dessen, dass
man alle Register ziehen will, im Zweifel auch die der Verunsicherung", sagte
die Grünen-Politikerin am Dienstagabend im ZDF-"heute journal" kurz vor ihrer
Rückreise aus Kiew. "Der russische Präsident versucht einfach, diese
Gesellschaft, die ja seit zwei Jahren nichts anderes möchte, als in Frieden und
in Freiheit zu leben, mürbe zu machen."

Das russische Verteidigungsministerium hatte zuvor mitgeteilt, dass die
Anfang Mai angekündigte Übung seiner nicht-strategischen Atomstreitkräfte im
südlichen Wehrbezirk begonnen habe. Beteiligt seien auch die Raketenkomplexe
Iskander und Kinschal - taktische Waffen, die mit Atomsprengköpfen bestückt
werden können./mau/DP/zb

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