13.05.2024 13:02:07 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: EU-Lockerungen für Landwirte endgültig angenommen

(neu: Angaben in Überschrift, 1. und 2. Absatz nach Abstimmung und Zitat
WWF)

BRÜSSEL (dpa-AFX) - Die EU-Staaten haben endgültig weitere Lockerungen für
Landwirte beschlossen. Nach großen und auch gewaltsamen Bauernprotesten in
mehreren europäischen Ländern hatten sich die EU-Institutionen unter anderem
darauf verständigt, dass lockerere Umweltauflagen ermöglicht und kleinere
Betriebe von Kontrollen befreit werden sollen. Die EU-Kommission unter Leitung
von Ursula von der Leyen hatte die entsprechenden Änderungen vorgeschlagen, das
EU-Parlament segnete sie vor knapp drei Wochen ab.

In einem Sonderausschuss Landwirtschaft hatten sich die EU-Staaten bereits
am Mittwoch für die Änderungen ausgesprochen, diese Entscheidung ist nun auf
Ministerebene abgesegnet worden. Damit können die neuen Regeln in Kraft treten.
Deutschland hatte sich bei der Abstimmung am Mittwoch enthalten.

Die Maßnahmen sind nicht unumstritten. Zwar haben sich Politikerinnen und
Politiker parteiübergreifend dafür ausgesprochen, dass Landwirte entlastet
werden müssen. Denn viele Höfe in Deutschland kämpfen um ihr Überleben -
zwischen den Jahren 2020 und 2023 gaben allein in Deutschland 7800 Landwirte
nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ihre Betriebe auf. Kritiker
befürchten mit Blick auf die konkreten EU-Erleichterungen aber, dass sich diese
negativ auf die Umwelt auswirken könnten.

Zumindest Verbraucher werden von den neuen Regeln vermutlich zunächst wenig
mitbekommen. Der Deutsche Bauernverband (DBV) geht nicht davon aus, dass sich
die Lebensmittelpreise groß verändern. Diese hingen vor allem von weltweiten
Erntemengen ab. Sebastian Lakner, Agrarprofessor der Uni Rostock, sieht das
ähnlich. Die Kosten für die Agrarrohstoffe seien oft nur ein kleiner Teil der
Lebensmittelkosten. "Das heißt, selbst wenn Weizenpreise steigen würden, wäre
dies im Endprodukt kaum merkbar", sagte Lakner.

Weniger Umweltauflagen für Bauern

Im Kern geht es bei den Änderungen etwa um die Lockerung von
Umweltstandards, an die sich Bauern eigentlich halten müssen, um von den
milliardenschweren EU-Agrarsubventionen zu profitieren. Mehrere dieser Standards
können künftig aufgeweicht werden, bei der Umsetzung haben die EU-Staaten aber
viel Spielraum. Dabei geht es etwa darum, dass weniger Flächen für die Schonung
der Böden brach liegen müssen.

Die EU-Staaten sollen zudem Ausnahmen von Umweltanforderungen erlassen
können, wenn "im Falle unvorhergesehener klimatischer Bedingungen" Landwirte die
Regeln nicht einhalten können. Zudem ist vorgesehen, kleine Betriebe mit einer
Fläche von weniger als zehn Hektar von Kontrollen und Strafen zu befreien.
Lakner sieht diese Änderungen als Rückschritt. Brachen seien für die
Biodiversität wichtig, Empfehlungen aus der Wissenschaft seien ignoriert worden.
Auch der Verzicht auf Kontrollen sei problematisch, dadurch könne man nicht
damit rechnen, dass Umweltregeln eingehalten würden. "Mit diesen Änderungen
verliert die EU-Kommission jede umweltpolitische Glaubwürdigkeit", sagte Lakner.

Der Deutsche Bauernverband (DBV) teilte mit, dass Landwirte auch unabhängig
von der EU-Agrarpolitik zu einer umweltverträglichen Landwirtschaft stünden. Der
Verband dringt darauf, dass Deutschland seine nationalen Regeln ändert, damit
sich umweltfreundliche Maßnahmen von Landwirten - dazu zählen etwa Blühstreifen
für Bienen und andere Tiere - mehr lohnen. Auch die FDP-Agrarpolitikerin Carina
Conrad pocht auf bessere Anreize für Landwirte. "Effiziente Umweltpolitik
funktioniert nicht durch pauschale Flächenstilllegung", sagte die
stellvertretende Fraktionsvorsitzende.

Die Bundesregierung hatte den Lockerungen auf EU-Ebene wegen Bedenken mit
Blick auf den Umweltschutz nicht zugestimmt. "Nach der regierungsinternen
Diskussion, hat sich Deutschland letztlich enthalten, weil die Vorschläge der
EU-Kommission eine pauschale Absenkung der Schutzstandards bedeuten", teilte das
von den Grünen geführte Bundeslandwirtschaftsministerium mit. Die
Umweltorganisation WWF sprach mit Blick auf bestimmte Änderungen von mit
Steuergeldern subventioniertem Politikversagen.

Bauernvertreter: Dringend benötigte Erleichterung

"Für die landwirtschaftlichen Betriebe bedeuten die beschlossenen Änderungen in erster Linie eine dringend erforderliche erste Erleichterung", teilte
DBV-Präsident Joachim Ruckwied mit. Die Bundesregierung sei nun gefordert, den
EU-Vorschlag eins zu eins umzusetzen. Weitere Entlastungen müssten von einer
neuen EU-Kommission jedoch konsequent fortgesetzt werden. Im Sommer wird nach
der EU-Wahl auch die EU-Kommission neu besetzt. Conrad spricht von einem
"direkten ökonomischen Vorteil", den Betriebe hätten, wenn sie künftig weniger
Flächen brach liegen lassen müssten.

Lakner rechnet mit geringfügigen Erleichterungen für Betriebe. "An den
Hauptursachen von Bürokratie in der Landwirtschaft, nämlich den Melde- und
Dokumentationspflichten in der Tierhaltung, ändert sich dagegen nichts", sagte
er der Deutschen Presse-Agentur. Umweltprobleme verschwänden durch die
Erleichterungen nicht, sodass damit zu rechnen sei, dass ähnliche oder strengere
Umweltregeln kurz- oder mittelfristig zurückkommen würden./mjm/DP/jha

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