15.07.2024 13:11:24 - dpa-AFX: SPORT: Vingegaard und die Unruhe vor der letzten Tour-Woche

NARBONNE (dpa-AFX) - Für Jonas Vingegaard war an Ruhe am Pausentag der Tour
de France zunächst nicht zu denken. Rund um das Team-Hotel in den Weinbergen
Südfrankreichs brüllten die Zikaden um die Wette und Arbeiter bereiteten mit
viel Krach ein Jazz-Festival auf dem Hof der Luxusanlage vor. Umso mehr schätzte
der aktuell zurückliegende Titelverteidiger die gemeinsame Zeit mit seiner
Familie. Kraft tanken vor der letzten Tour-Woche, um Rivale Tadej Pogacar doch
noch zu besiegen.

"Es ist so schön, dass sie hier sind und ich Zeit mit ihnen verbringen
kann", sagte Vingegaard über den Besuch seiner schwangeren Ehefrau Trine und
Tochter Frida. "Meine Familie bedeutet mir alles", schob der 27-Jährige
hinterher. Vor allem nach seinem schweren Sturz im April fand der Ausnahmefahrer
Trost bei seinen Liebsten. "Es war nicht nur für mich eine harte Zeit, sondern
auch für meine Familie."

Corona-Angst bei Tour zurück

Aus Vorsichtgründen stellte er sich am Montag mit Corona-Maske den Fragen
internationaler Journalisten. Bei der Frankreich-Rundfahrt ist die Corona-Angst
zurück. Die Organisatoren hatten zuletzt wieder die Maskenpflicht für
Journalisten im Umgang mit den Sportlern eingeführt. Einige infizierte Radprofis
mussten die Tour verlassen. Viele Rennfahrer sollen trotz Corona weitermachen.

Nach der Pressekonferenz posierte Vingegaard dann wieder ohne Maske mit Fans und machte einige Selfies. Die Sorgen vor dem Virus sind aktuell bei ihm eher
untergeordnet. Vielmehr will der Athlet noch einmal alle Kräfte bündeln, um den
Doppel-Erfolg aus Giro- und Tour-Sieg des enteilten Widersachers Pogacar doch
noch zu verhindern.

Nach den dramatischen Verletzungen durch den Sturz im Frühjahr hätte sein
Team den derzeit zweiten Rang in der Gesamtwertung wohl gerne genommen.
Spätestens seit Vingegaards emotionalem Tagessieg gegen Pogacar in der
vergangenen Woche war der dritte Tour-Triumph zumindest realistisch geworden -
auch wenn der Slowene weiter vor ihm stand.

Vingegaard: "Müssen auf schlechten Tag hoffen"

Doch spätestens mit den Erkenntnissen der Königsetappe und den beiden
schmerzhaften Pleiten gegen Pogacar in den Pyrenäen rückte die Titelverteidigung
in weite Ferne. Vingegaard kam knapp eine Minute nach Pogacar auf dem Plateau de
Beille an, liegt in der Gesamtwertung etwas mehr als drei Minuten hinter seinem
Kontrahenten im Gelben Trikot.

Der Tour-Champion und sein minuziös planendes Visma-Team wirken aktuell
etwas ratlos. Ihnen scheinen die Gegenmittel im Schlagabtausch mit Pogacar
auszugehen. Die Pläne scheinen aktuell auf einem "Vielleicht" und
"Möglicherweise" zu beruhen. "Er wirkt sehr stark, aber wir haben gesehen, dass
er in der Vergangenheit schwache Tage hatte. Vielleicht hat er das in der
dritten Woche. Das weiß man nie", sagte Vingegaard.

"Wir müssen also darauf hoffen, dass er einen schlechten Tag hat. Wenn er
natürlich auf diesem Level bleibt, dann wird es hart", fügte er hinzu. Das
Hoffen auf einen Leistungseinbruch wie im vergangenen Jahr scheint aktuell nur
schwer vorstellbar. Damals war der entkräftete Pogacar in der dritten Tour-Woche
eingebrochen.

Niermann: Pogacar im Moment "unschlagbar"

Vingegaard und sein Team erlebten nach der Königsetappe auch eine gewisse
Ohnmacht. Denn er selbst war stark aufgelegt. "Ich habe wahrscheinlich eine der
besten Leistungen meines Lebens abgeliefert. Aber Tadej war einfach stärker",
haderte der 27-Jährige. Diese Einschätzung teilte auch sein sportlicher Leiter
Grischa Niermann. "Im Moment scheint Tadej Pogacar unschlagbar zu sein, aber die
finale letzte Woche steht uns noch bevor."

Pogacar zeigte sich derweil entspannt. "Wir kommen zum Rennen mit einem
großen Lächeln und hoffen, es in den nächsten Tagen zu einem guten Ende zu
führen." Aktuell sieht es gut aus. Vingegaard bleiben nur noch zwei harte
Etappen in den Alpen und das finale Einzelzeitfahren in Nizza am Sonntag, um den
Slowenen von seinem dritten Gesamtsieg bei der Frankreich-Rundfahrt abzuhalten.

Was die Anzahl der Tour-Siege angeht, könnte Pogacar an der Côte d'Azur auf
3:2 stellen. Noch hat Vingegaard die Hoffnung, das zu verhindern. "Ich breche
mental nie zusammen", stellte er klar. Er habe seine Hoffnung noch nicht
verloren. "Ich bin nicht hier, um Platz zwei zu erreichen. Ich werde alles tun,
um den Sieg noch zu erreichen", sagte Vingegaard./sfx/DP/nas

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