12.05.2024 15:17:49 - dpa-AFX: POLITIK: Grünen-Politiker in Halle bedroht - Wirt wegen AfD-Termins angefeindet

HALLE/MIESBACH/BERLIN (dpa-AFX) - Die Serie von Angriffen auf Politiker
reißt nicht ab. In Halle in Sachsen-Anhalt wurde der Grünen-Landtagsabgeordnete
Wolfgang Aldag am Freitag an einem Infostand seiner Partei von einem betrunkenen
Mann bedroht. Aldag rief die Polizei, die Beamten erstatteten Anzeige gegen den
39-Jährigen, wie die Polizei am Samstag mitteilte. Eine Atemkontrolle habe einen
Wert von über vier Promille ergeben. Aldag zufolge hatte der Mann gedroht, ihm
mit einer Flasche auf den Kopf zu schlagen.

In Miesbach in Oberbayern erteilte ein Wirt der AfD kurzfristig eine Absage
für eine geplante Wahlkampfveranstaltung in seinem Biergarten. Auf Anfrage
begründete er den Schritt mit Anfeindungen und permanenten Bedrohungen. Die AfD
hatte für Samstagnachmittag "zur reaktionärsten Wahlkampfparty des Jahres" nach
Miesbach geladen, als Hauptredner war Europaspitzenkandidat Maximilian Krah
angekündigt. Die Partei wollte nach der Absage ins rund 20 Kilometer entfernte
Holzkirchen ausweichen, machte aber den genauen Ort vorerst nicht öffentlich.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bekräftigte, dass Kommunalpolitiker besser vor Angriffen geschützt werden müssten. "Es ist gut, dass Schutzkonzepte
der Polizei vielerorts hochgefahren, Streifen verstärkt und feste
Ansprechstellen für bedrohte Kommunalpolitiker und Ehrenamtliche eingerichtet
wurden", sagte sie der "Welt am Sonntag". Sie habe zugesagt, dass der Bund die
Länder mit der Bundespolizei an anderen Stellen weiter stark entlasten werde
- etwa bei großen Demonstrationseinsätzen, bei Fußballspielen und
anderen Lagen.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) beklagte eine allgemeine
Zunahme von Aggressivität, will sein eigenes Verhalten aber nicht ändern. "Die
Verrohung auch jenseits von Attacken ist offensichtlich", sagte der FDP-Chef den
Zeitungen der Mediengruppe Bayern. In seinen Veranstaltungen gebe es inzwischen
regelmäßig vor allem linke Gruppen, die nicht mehr diskutieren, sondern nur
lärmen oder blockieren wollten. "Oder mit Stinkbomben den Versuch unternehmen,
dass man Argumente gar nicht mehr vortragen kann." Bedroht fühle er sich aber
nicht. "Ich verändere auch mein Verhalten nicht", so Lindner, der als
Finanzminister unter Personenschutz steht.

Der Partei- und Fraktionsvorsitzende der europäischen Christdemokraten,
Manfred Weber (CSU), sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Wir erleben
eine Radikalisierung in der politischen Auseinandersetzung, die auch zu Gewalt
auf der Straße führt." Die Kräfte der demokratischen Mitte müssten jetzt
zusammenrücken. "Wir müssen den Rechtsstaat durchsetzen mit allen Instrumenten,
die wir haben."

Der Deutsche Richterbund forderte einen Kurswechsel der Bundesregierung im
Kampf gegen Extremismus und Rechtspopulismus. Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn
sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Die Ampelkoalition spricht zwar
viel über die Resilienz des Rechtsstaats, tut aber zu wenig dafür. Jetzt rächt
es sich, dass der Bundesfinanzminister ausgerechnet beim Rechtsstaat den
Rotstift angesetzt hat." Notwendig seien mehr Präventionsprogramme, eine bessere
Aufklärung über Desinformation im Netz und eine effektive Strafverfolgung, um
die Spirale aus Hass, Bedrohungen und Gewalt zu durchbrechen.

Auch die Opferschutzorganisation Weißer Ring rief dazu auf, gegen Hass- und
Gewalt-Parolen stärker vorzugehen. "Wer noch Zweifel hatte, ob Gewalt im
Internet irgendwann auch Menschen in der analogen Welt gefährlich werden kann,
sollte spätestens jetzt eines Besseren belehrt sein", sagte
Bundesgeschäftsführerin Bianca Biwer der Deutschen Presse-Agentur in Mainz.
"Hass ist keine Meinung", betonte sie. "Es ist unsere Pflicht, ihn in jeder Form
zu bekämpfen: ob digital oder analog."

Die Serie von Angriffen auf Politiker und Wahlkampfhelfer hatte zuletzt
bundesweit Entsetzen ausgelöst. In Dresden wurde der SPD-Wahlkämpfer Matthias
Ecke so schwer verletzt, dass er in einem Krankenhaus operiert werden musste.
Die Kommunalpolitikerin Yvonne Mosler (Grüne) wurde in der sächsischen
Landeshauptstadt beim Aufhängen von Wahlplakaten angerempelt und bedroht. In
Berlin wurde nach einer Attacke auf Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD)
ein Verdächtiger vorläufig in der Psychiatrie untergebracht./wn/DP/he

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