22.05.2024 11:15:38 - dpa-AFX: HINTERGRUND: Hat die Formel 1 in Monaco noch eine Zukunft?

MONACO (dpa-AFX) - Dass nicht wenige Formel-1-Fahrer in Monaco wohnen, liegt
nicht unbedingt an der besonderen Schönheit des dicht bebauten Fürstentums oder
der besonderen Motorsport-Tradition. Sicherheit, Diskretion und Steuervorteile
sorgen dafür, dass sowohl Rekordweltmeister Lewis Hamilton als auch der aktuelle
Champion Max Verstappen, der Deutsche Nico Hülkenberg oder Jungstar Lando Norris
im Stadtstaat an der Mittelmeerküste einen Wohnsitz haben.

Für sie alle steht am Sonntag (15.00 Uhr/Sky) beim speziellsten Grand Prix
des Jahres wieder ein Heimspiel an. Doch ob es dieses auch in der Zukunft
weiterhin so geben wird, scheint offen wie nie. Schon im ersten Formel-1-Jahr
1950 wurde in Monaco gefahren, seit 1955 gehört der Klassiker jährlich zum
Kalender. Die Zukunft ist aber nur noch bis 2025 gesichert, die Verhandlungen
darüber hinaus werden schwierig. Was spricht für weitere Rennen in Monaco, was
dagegen?

Pro:

Die Tradition: Dass jeder Formel-1-Pilot mal in Monaco gewinnen will, liegt
auch an der einzigartigen Historie. Der Große Preis mit seinen großen
fahrerischen Herausforderungen in den engen Straßen ist eines der ältesten und
traditionsreichsten Rennen im Motorsport, das zudem selbst die Menschen kennen,
die ansonsten wenig mit der PS-Szene zu tun haben. Juan Manuel Fangio, Niki
Lauda, Ayrton Senna, Michael Schumacher - sie alle haben schon gesiegt und so
ihren Teil zum Mythos beigetragen.

Der Glamour: Im imposanten Hafen stehen die riesigen Jachten in dieser Woche wieder dicht an dicht, Superstars von Cristiano Ronaldo über Kylie Minogue bis
Brad Pitt sind Stammgäste im Fahrerlager. Wie besonders das Rennwochenende an
der Côte d'Azur ist, wird so schon auf den ersten Blick klar. Kaum ein
Sportevent auf der Welt steht bei den Reichen und Schönen im Frühjahr so sehr im
Fokus wie dieses. Entsprechend große Aufmerksamkeit wird in den Tagen im
Fürstentum erzeugt.

Der Fahrer ist gefordert: Die Leitplanken sind ganz nah, Fehler werden
knallhart bestraft. Der Kurs lässt Vorjahressieger Verstappen und Co. keine
Pause. In Monaco ist Präzision am Steuer gefordert, vor allem auf der Jagd nach
der Pole Position. "Du spürst es, dass dein Herzschlag jedes Mal etwas höher ist
auf der Qualifikationsrunde als auf einer anderen Strecke. Da ist viel
Adrenalin", sagte Verstappen im Vorjahr. Die Fahrer lieben das, deswegen sagte
Ex-Champion Fernando Alonso auch: "Monaco gehört immer in den Rennkalender."

Der Fan-Faktor: Wer den Red Bull von Verstappen oder den Mercedes von
Hamilton ganz nahe sehen will, muss dafür zwar hunderte Euro zahlen, bekommt
aber immerhin ein fast einmaliges Erlebnis. Die Zuschauer schätzen die besondere
Nähe zur Strecke, es sind nur wenige Meter bis zum Asphalt. Das gibt*s in dieser
Form durch die Sicherheitsvorkehrungen auf klassischen Pisten nirgendwo sonst.
Auch ungewöhnlich: Die Zuschauer können die Strecke am Abend selbst ablaufen,
sie bleibt nicht das ganze Wochenende gesperrt.

Kontra:

Die Langeweile: Das größte Problem für die Zukunft des Grand Prix in Monaco
ist die am Renntag fehlende Spannung. Auf der mit 3,337 Kilometern kürzesten
Strecke der Saison ist das Überholen auf einem schmalen Asphaltband kaum
möglich. Das liegt nicht nur an immer breiteren Autos, sondern auch am Unwillen
der Veranstalter, etwas zu ändern. Anpassungen am Kurs scheinen umsetzbar. So
bestünde die Möglichkeit, im Bereich des berühmten Schwimmbads eine Zone zum
leichteren Überholen zu konzipieren, doch das wurde bislang immer abgelehnt. Und
so gewinnt meist der, der auf Startplatz eins steht.

Der Rennkalender: Die Formel 1 ist auf Expansionskurs. Die Bewerber für neue WM-Läufe drängen mit viel Geld in den Markt, alte müssen ihren Platz
verteidigen. Monaco genoss in der Vergangenheit finanzielle Vorteile, zahlte
deutlich weniger Antrittsgeld als andere Orte. "Monaco ist wegen seines Erbes
und seiner Geschichte dabei. Das ist alles", hatte Red-Bull-Teamchef Christian
Horner gesagt: "Auch das Kronjuwel muss mit der Zeit gehen. Wenn man stehen
bleibt, geht man rückwärts." Es ist nicht ausgeschlossen, dass Monaco seinen
Platz im Rennkalender verliert, denkbar ist aber auch, dass es ab 2026 nur noch
alle zwei Jahre einen Grand Prix geben könnte.

Die Hochnäsigkeit: Das Auftreten des Automobile Club de Monaco als
Veranstalter wird innerhalb der Formel 1 kritisch gesehen. Herausforderungen wie
wenig Platz und eine komplizierte Logistik im 38 000-Einwohner-Ort sorgen dafür,
dass viele im Umfeld für ihre Arbeit nicht gerade gerne nach Monaco kommen.
Während beim ACM geglaubt wird, dass der Grand Prix die einzige perfekte
Veranstaltung im Formel-1-Jahr ist und andere von ihnen lernen sollten, ist die
Realität eine andere. Veränderungen bleiben schwierig, um die Veranstaltung fit
für die Herausforderungen der Zukunft zu machen. "Mittel- und langfristig muss
Monaco mit Lösungen ankommen, damit wir wieder hierher zurückkommen wollen",
sagte Ex-Haas-Teamchef Günther Steiner./two/DP/tih

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH