19.06.2024 12:17:31 - dpa-AFX: Berlins Verkehrssenatorin hält an Diskussion über ÖPNV-Finanzierung fest

BERLIN (dpa-AFX) - Berlins neue Verkehrssenatorin Ute Bonde hält eine
Diskussion über die künftige Finanzierung des Personennahverkehrs für
unverzichtbar. "Wir müssen aus meiner Sicht zu alternativen Finanzierungsquellen
im ÖPNV kommen, und wir müssen dafür über den Gartenzaun blicken: Was machen
denn andere, die ähnliche Probleme haben wie wir?", sagte die CDU-Politikerin,
die seit knapp vier Wochen im Amt ist, der Deutschen Presse-Agentur. "Und dann
müssen wir ins Nachdenken kommen und Produkte finden, die am wenigsten Eingriff
bedeuten - egal ob für Bürger oder Arbeitgeber - und am meisten Effizienz."

In der vergangenen Woche hatte Bonde mit ihrem Hinweis auf andere Städte, in denen es eine Arbeitgeberabgabe für den U-Bahn-Bau, eine City-Maut für Autos
oder höhere Parkgebühren gibt, Kritik provoziert
- aus Wirtschaftsverbänden, aber auch aus der eigenen Partei. Bonde
bleibt dabei: "Vor dem Hintergrund der Haushaltslage, die wir haben, ist es
sinnvoll, in die Diskussion darüber zu kommen, alle zu sensibilisieren und
aufzufordern, darüber nachzudenken, wie man den ÖPNV finanzieren kann."

In der CDU-Fraktion werde gerade an einem ganzheitlichen Konzept zur
Parkraumbewirtschaftung gearbeitet, sagte sie. "Es prüft die unterschiedlichen
Möglichkeiten, die es beim Thema Parkgebühren geben kann wie das Ausweiten der
Flächen und die Erhöhung der Gebühren." Man müsse aber auch über den Gartenzaun
schauen. "Wenn mein Nachbar eine superschöne Rose hat, gucke ich: Wie hat der
das gemacht, welche Düngemittel hat er verwendet? London hat die City-Maut
eingeführt, Wien das 365-Euro-Ticket und die Arbeitgeberabgabe", so die
Senatorin.

"Man muss aber gucken: Was passt zu meiner Stadt? Berlin hat 40 Kilometer
Durchmesser - der Vergleich mit Wien, Kopenhagen oder Amsterdam ist schon
deshalb nicht einfach, weil das deutlich kleinere Städte sind. Wir müssen aber
trotzdem über den Tellerrand schauen und anfangen nachzudenken."

Offen zeigte sich Bonde für neue Ideen bei der ÖPNV-Finanzierung: "Ein
Public-Partnership-Modell, bei dem öffentliche Hand und private Unternehmen
zusammenarbeiten, ist so angelegt, dass es zwei Gewinner gibt", sagte die
CDU-Politikerin. "Deswegen ist das sicher eins der favorisierten Themen für die
Finanzierung zum Beispiel von Infrastruktur und Fahrzeugen."

Es sei aber nur ein Modell von mehreren. "Tesla bezahlt in
Brandenburg den Schienenverkehr zur Giga-Frabrik", nannte Bonde ein weiteres.
Viele Arbeitgeber seien mit der Herausforderung konfrontiert, genügend
Arbeitskräfte zu finden. "Da ist es auch eine Möglichkeit, dass sie sich
entsprechend beteiligen. Und es sind auch viele dazu bereit, den Verkehr zu
ihren Werken, zu ihren Unternehmen mitzufinanzieren - sei es mit der Bahn oder
mit On-Demand-Verkehren."

Beim 29-Euro-Ticket für die Hauptstadt sieht Bonde noch einige Fragezeichen. "Als die Diskussion um das 29-Euro-Ticket entstanden ist, war die Idee des
49-Euro-Tickets noch nicht geboren. Wir müssen jetzt schauen, ob da
Kannibalisierungseffekte stattfinden", betonte sie. "Und wir werden evaluieren,
wie es in jedem Wirtschaftsbereich gemacht wird, wenn ein neues Produkt
eingeführt wird: Wie läuft das, entspricht es den Nutzerbedürfnissen?"

Maßgeblich sei für sie, wie viele Menschen sich zum Umsteigen auf Bus und
Bahn motivieren ließen. "Erfolgreich ist das Ticket für mich dann, wenn ich
tatsächlich Systemeinsteiger habe, die den ÖPNV bisher nicht genutzt haben oder
Gelegenheitsfahrer waren und den ÖPNV jetzt tatsächlich mehr nutzen", sagte
Bonde. "Ein Produkt macht nur dann Sinn, wenn es auch entsprechend nachgefragt
ist." Das 29-Euro-Ticket soll Anfang Juli für den AB-Bereich in Berlin
eingeführt werden und nur im Abonnement zu haben sein. Das Angebot gilt auch
innerhalb der schwarz-roten Regierungskoalition als zunehmend umstritten, nicht
zuletzt angesichts der Haushaltslage in der Hauptstadt.

Bonde ist bekennender Fan des bundesweiten 49-Euro-Tickets - das sie "eine
unglaublich intelligente Lösung" nennt. "Ob es intelligent eingeführt worden
ist, lässt sich im Nachhinein immer kritisch fragen. Aber es war schon eine gute
und coole Idee, das zu tun", so die Verkehrssenatorin. "Ich bin immer für
Einfachheit für alle Bürgerinnen und Bürger. Und am einfachsten ist es, wenn ich
dieses Ticket habe und damit in ganz Deutschland fahren kann."/ah/DP/mis

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