19.06.2024 12:01:16 - dpa-AFX: ROUNDUP: EU-Kommission startet Defizitverfahren gegen Frankreich und andere

BRÜSSEL (dpa-AFX) - Die Europäische Kommission leitet gegen Frankreich,
Italien und fünf weitere EU-Länder ein Strafverfahren wegen zu hoher
Neuverschuldung ein. Die sieben Länder wiesen ein übermäßiges Defizit auf,
teilte die für die Einhaltung von EU-Schuldenregeln zuständige Brüsseler Behörde
am Mittwoch mit. Neben Frankreich und Italien sind auch Belgien, Ungarn, Malta,
Polen und die Slowakei betroffen, gegen Rumänien ist bereits ein Verfahren
anhängig. Deutschland steht in diesem Jahr mit einer erwarteten Defizitquote von
1,6 Prozent kein Ärger mit Brüssel ins Haus.

Die Defizitverfahren waren wegen der Corona-Krise sowie der Folgen des
russischen Angriffs auf die Ukraine zuletzt ausgesetzt. Wird ein Strafverfahren
eingeleitet, muss ein Land Gegenmaßnahmen einleiten, um Verschuldung und Defizit
zu senken. Damit soll vor allem die Stabilität der Eurozone gesichert werden.

Ziel des Defizitverfahrens ist es, Staaten zu solider Haushaltsführung zu
bringen. Theoretisch sind bei anhaltenden Verstößen auch Strafen in
Milliardenhöhe möglich. In der Praxis wurden diese aber noch nie verhängt.

Die EU-Kommission beaufsichtigt, ob die EU-Länder die Regeln für
Haushaltsdefizite und Staatsschulden einhalten. Das Regelwerk erlaubt eine
Neuverschuldung von höchstens drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Nach
Angaben der Behörde haben zuletzt zwölf EU-Staaten die Obergrenze für dieses
Defizit im vergangenen Jahr nicht eingehalten oder werden diese laut Prognose in
diesem Jahr übertreten.

Dass nur gegen sieben Länder neue Verfahren eingeleitet wurden, liegt daran, dass die Kommission verschiedene Faktoren berücksichtigt. Dazu gehört etwa, ob
das Übertreten der Defizitgrenze nur sehr gering ist, aufgrund besonderer
wirtschaftlicher Umstände als außergewöhnlich gilt oder auch ob mehr
Investitionen in Verteidigung getätigt wurden.

Nächster Schritt im Verfahren sind nun Stellungnahmen des Wirtschafts- und
Finanzausschusses, die innerhalb von zwei Wochen erfolgen müssen. Danach will
die Kommission Stellungnahmen abgeben, um das Bestehen eines übermäßigen
Defizits in den betreffenden Ländern zu bestätigen. Dann wird die Kommission im
Juli den EU-Finanzministern vorschlagen, Empfehlungen zur Defizitreduzierung für
die betroffenen Länder auszusprechen.

Das Regelwerk für Staatsschulden und Defizite, das auch Stabilitäts- und
Wachstumspakt genannt wird, wurde jüngst nach jahrelanger Debatte reformiert.
Grundsätzlich gilt aber weiterhin, dass der Schuldenstand eines Mitgliedstaates
60 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten darf. Gleichzeitig muss
das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit - also die vor allem durch Kredite zu
deckende Differenz zwischen den Einnahmen und Ausgaben des öffentlichen
Haushalts - unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gehalten werden.

Um für solide Finanzen zu sorgen, muss jedes Land gemeinsam mit der für die
Aufsicht zuständigen EU-Kommission einen vierjährigen Haushaltsplan aufstellen.
Unter bestimmten Bedingungen, etwa wenn ein Land sich zu wachstumsfördernden
Reformen und Investitionen verpflichtet, kann der Plan auf sieben Jahre
ausgeweitet werden. Auch kann die EU-Kommission übergangsweise bei der
Berechnung der Anpassungsanstrengungen den Anstieg der Zinszahlungen
berücksichtigen./rdz/DP/mis

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