19.05.2024 15:01:27 - dpa-AFX: Institut: Ukraine im Nachteil wegen Einschränkung für US-Waffen

WASHINGTON/KIEW (dpa-AFX) - Die Ukraine hat aus Sicht von Experten Nachteile
im Abwehrkampf gegen den russischen Angriffskrieg, weil sie die US-Waffen nicht
auch gegen Ziele auf dem Gebiet des Nachbarlandes einsetzen darf. Die von den
USA und vom Westen verhängten Einschränkungen bei der Anwendung der Waffen nutze
Russland aus, um quasi aus einem geschützten Raum direkt aus dem Gebiet an der
Grenze zur Ukraine anzugreifen, hieß es in einer Analyse des Instituts für
Kriegsstudien (ISW) in Washington vom Freitag (Ortszeit).

Zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gefordert, die
US-Waffen auch für Schläge gegen russisches Gebiet nutzen zu können. Bisher
verwendet das Land dafür Waffen aus eigener Produktion. Die USA stellen die
Waffen nach Angaben des Pentagons zur Verfügung, damit die Ukraine ihre
besetzten Gebiete befreit, aber nicht für Angriffe auf Russland selbst. An
dieser Position habe sich nichts geändert, betonte eine Sprecherin des
Ministeriums am Donnerstag.

Ähnlich äußerte sich auch der Kommunikationsdirektor des Weißes Hauses, John Kirby, am Freitag: "Wir ermutigen nicht zu Angriffen mit von den USA gelieferten
Waffensystemen auf russischem Territorium und ermöglichen sie auch nicht. Das
ist unsere Politik, die sich nicht geändert hat."

US-Außenminister Antony Blinken war bei seinem Besuch in Kiew am Dienstag
von einem Journalisten gefragt worden, ob dieses Verbot derzeit sinnvoll sei und
nicht gelockert werden müsse. Darauf sagte er, die USA hätten sich verpflichtet,
der Ukraine zu helfen, den Krieg zu gewinnen. Dies habe man durch die
außerordentliche Unterstützung bewiesen. "Wir haben keine Angriffe außerhalb der
Ukraine unterstützt oder ermöglicht, aber letztendlich muss die Ukraine selbst
entscheiden, wie sie diesen Krieg führen will, einen Krieg, den sie zur
Verteidigung ihrer Freiheit, ihrer Souveränität und ihrer territorialen
Integrität führt."

Die ISW-Experten wiesen darauf hin, dass Russland wegen der teils vom Westen verfügten Einschränkungen aus seinen grenznahen Gebieten mit seiner Luftwaffe
etwa Gleitbomben und Raketen weitgehend ungehindert auf die Ukraine abfeuere.
Russland könne seine Truppen und Technik ordnen in den Regionen, bevor es zum
Angriff übergehe. Das bisherige US-Vorgehen schränke die Möglichkeiten der
Ukraine, sich gegen die russischen Angriffe im Norden des Gebiets Charkiw zu
verteidigen, stark ein, hieß es.

Die Ukraine will Stützpunkte auch in Russland mit westlichen Waffen
angreifen, um sie noch effektiver zu zerstören, als mit den weniger
schlagkräftigen eigenen Drohnen und Raketen. Russland dagegen warnt vor einer
Eskalation in dem Krieg, sollten Waffen aus Nato-Staaten für Angriffe auf die
Atommacht genutzt werden.

Das ISW sah sich indes durch die jüngsten Äußerungen von Kremlchef Wladimir
Putin darin bestätigt, dass Russland im Gebiet Charkiw eine Pufferzone anstrebe,
um ukrainische Attacken auf sein Staatsgebiet zu verhindern. Putin hatte am
Freitag zudem gesagt, es gebe aktuell keine Pläne, Charkiw selbst einzunehmen.
Experten gehen auch davon aus, dass Russland für einen strategischen Durchbruch
in der Ukraine bisher nicht genügend Truppen hat.

Nach ISW-Einschätzung wollen die russischen Truppen die ukrainischen
Streitkräfte im Raum Charkiw vor allem in Schach halten, um zugleich in anderen
östlichen Gebieten der Ukraine massiver anzugreifen. Russland will dort die
annektierten, aber bisher nur teils besetzten Regionen Donezk und Luhansk
komplett unter seine Kontrolle bringen./mau/DP/he

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