12.07.2024 13:49:45 - dpa-AFX: POLITIK: Astrologin in 'Reichsbürger'-Prozess: keinen Putsch geplant

MÜNCHEN (dpa-AFX) - Im Münchner "Reichsbürger"-Prozess gegen mutmaßliche
Mitglieder der Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß wehrt sich die angeklagte
Astrologin Hildegard L. gegen zentrale Anklagevorwürfe: Sie bestreitet
insbesondere, eine terroristische Vereinigung mitgegründet zu haben und gezielt
Kontakte zur Ausspähung des Deutschen Bundestages vermittelt zu haben. Zudem
weist sie in einer von ihren Anwälten vor dem Münchner Oberlandesgericht
verlesenen Erklärung zurück, dass die Gruppe einen gewaltsamen Umsturz in
Deutschland vorbereitet habe: "Wir hatten keinen Putsch geplant."

L. und sieben weitere mutmaßliche Mitglieder der Gruppe Reuß stehen seit
Juni in München vor Gericht. Das ist die Gruppe, die nach einer großangelegten
Anti-Terror-Razzia Ende 2022 bekanntgeworden war. In Frankfurt stehen Reuß und
die mutmaßlichen Rädelsführer vor Gericht, in Stuttgart mutmaßliche Mitglieder
des "militärischen Arms". Die insgesamt 26 Beschuldigten sollen laut Anklage
einen gewaltsamen Umsturz der Bundesregierung geplant und dabei bewusst Tote in
Kauf genommen haben. L. soll zu den Gründungsmitgliedern gehört und später immer
wieder neue Mitglieder rekrutiert haben, etwa die ehemalige
AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann, deren "astrologische
Beraterin" sie war.

"Aktivität" im Bundestag?

L. argumentiert in ihrer Erklärung vor Gericht, man habe keinen Putsch
geplant - vielmehr sei man davon ausgegangen, dass eine sogenannte "Allianz"
mehrerer Nationen gegen die Regierung vorgehen und eine "richtige Demokratie"
errichten würde. Sie räumt aber ein, gehört zu haben, dass dem Einschreiten der
"Allianz" wohl auch eine "Aktivität" eines in Frankfurt angeklagten Ex-Militärs
im Bundestag gefolgt wäre. Die Bundesanwaltschaft betrachtet Behauptungen von
Mitgliedern der Gruppe - man habe selbst keine Gewalt ausüben wollen, sondern
ausschließlich die "Allianz" - nach ihren Ermittlungen als widerlegt.

Insbesondere weist L. zurück, dass sie die Vereinigung Ende Juli 2021
mitgegründet habe. Hintergrund des damaligen Treffens sei die Ablehnung der
staatlichen Anti-Corona-Politik gewesen und die Sorge vor einer zwangsweisen
Impfung von Kindern. "Wir wähnten uns damals in Not wegen der Corona-Maßnahmen."
Sie habe sich aber mit niemandem zu irgendetwas verabredet, sie habe nichts
gegründet, sie habe deshalb auch niemanden für irgendein Vorhaben rekrutieren
können. Und sie habe auch niemandem gezielt den Kontakt zu Malsack-Winkemann
vermittelt, um so eine Ausspähung des Bundestages zu ermöglichen.

Ein Schießtraining als "Bubensache"?

Allerdings: Von einem späteren Schießtraining habe sie gewusst, räumt L. in
ihrer Erklärung ein - dies aber für eine "Bubensache" gehalten, der sie nichts
habe abgewinnen können. Und sie wusste demnach auch von Plänen für
Heimatschutzkompanien, die die Polizei hätten ersetzen sollen, hörte bei Treffen
außerdem von angedachten "Säuberungen". "Und ich habe es unreflektiert wieder
gegeben. Ich wünschte, ich hätte solche Dinge nie gesagt."

Immer wieder heißt es in L.'s Erklärung, sie habe Darstellungen und
Verschwörungstheorien auf einschlägigen Telegram- und anderen Kanälen damals für
bare Münze genommen und "irgendwann für die alleinige Wahrheit" gehalten. "Ich
bedaure heute mit reichlich Abstand, dass ich all diese Dinge unkritisch
übernommen und weiterverbreitet habe", trug ihr Anwalt vor. Sie habe die
Corona-Maßnahmen als Angriff auf Freiheit und Gesundheit wahrgenommen. "So hat
sich das hochgeschaukelt." Tatsächlich bestreitet L. aber dann nicht, an
mehreren Sitzungen des "Rats" der Vereinigung (ähnlich einem Kabinett einer
rechtmäßigen Regierung) teilgenommen zu haben, aber nicht als "vollwertiges
Mitglied"./ctt/DP/stk

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