10.07.2024 16:43:57 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP: Bund dürfte Zivilschutz-Ausbildung für Landräte vorschreiben

BERLIN (dpa-AFX) - Obwohl der Katastrophenschutz in Deutschland Aufgabe der
Länder ist, könnte der Bund eine bessere Krisenmanagement-Ausbildung der
Bürgermeister und Landräte durchsetzen. Zu diesem Ergebnis kommt der
Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem aktuellen Sachstandsbericht zu
Fragen der ergänzenden Zivilschutzausbildung.

Darin heißt es, denkbar wären etwa Weisungen an die obersten Landesbehörden, nur Personal für den Zivilschutz einzusetzen und ergänzend auszubilden, das über
die nach dem jeweiligen Landesrecht erforderliche Ausbildung im
Katastrophenschutz verfügt.

Ein direkter Durchgriff auf die kommunale Ebene sei dem Bund zwar nicht
gestattet. Allerdings führt der Wissenschaftliche Dienst weiter aus: "Der Bund
kann aber die Verpflichtung allgemein den Ländern auferlegen, die wiederum die
Zuständigkeit selbst näher regeln und auch auf Kommunen übertragen können."

In Deutschland trägt der Bund die Verantwortung für den Zivilschutz, also
den Schutz der Zivilbevölkerung im Kriegs- und Spannungsfall. Für den
Katastrophenschutz sind die Länder zuständig.

Fortbildung für Zivilschutz-Aufgaben ist bisher freiwillig

Die Akademie des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
(BBK) bietet Seminare und Lehrgänge an, die allen Menschen, die jeweils vor Ort
Verantwortung tragen, offenstehen. Das, was sie dabei lernen und üben, soll sie
befähigen, in der Krise schnell und richtig zu handeln, unabhängig davon, ob der
Auslöser eine Naturkatastrophe, ein Großbrand in einem Industriebetrieb oder ein
militärischer Angriff ist.

Die Teilnahme ist für sie freiwillig. Zu den Lehrinhalten gehören unter
anderem die "Umsetzung der Trinkwassernotversorgung" oder "Biologische Risiken -
Bakterien, Viren und Parasiten".

Aktuell sind für die Kurse und Seminare der Bundesakademie 41 hauptamtliche
Dozenten sowie 250 Gastdozenten im Einsatz. Die Kurse laufen vor Ort in
Ahrweiler, als "In-House-Schulungen" oder online. Im vergangenen Jahr zählte das
BBK bei 667 Veranstaltungen insgesamt 14 289 Teilnehmenden. Im Jahr zuvor waren
es 591 Veranstaltungen mit 10 396 Teilnehmenden gewesen - von Einsatzkräften
über Verwaltungsmitarbeiter bis hin zu Stabspersonal, einschließlich
Bürgermeister, Landräte, Staatssekretäre und Minister. "Es lässt sich generell
sagen, dass die Nachfrage, insbesondere nach Corona, Kriegsbeginn in der Ukraine
und Flutereignissen gestiegen ist", teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit. Für
einige Seminare gebe es Wartelisten.

Ein zweiter Akademie-Standort in Stralsund war zwar zu Zeiten des früheren
Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU) angekündigt worden. Mit entsprechenden
Baumaßnahmen wurde allerdings bisher nicht begonnen. Ob das Vorhaben nach der
nächsten Bundestagswahl weiterverfolgt wird, ist noch offen.

Ebenso wie der gesamte Personalbestand des BBK, so ist nach Angaben der
Sprecherin auch die Zahl der Dozentinnen und Dozenten der Akademie in den
vergangenen Jahren gestiegen. Im gesamten BBK seien in den vergangenen zwei
Jahren rund 200 zusätzliche Mitarbeiter eingestellt worden.

Generell bauen die Aus- und Fortbildungsmaßnahmen des Bundes auf der
Ausbildung der Länder im Bereich des Katastrophenschutzes auf und ergänzen
diese. Das heißt, gewisse Vorkenntnisse werden in der Regel vorausgesetzt.

Grünen-Politiker für Pflichtausbildung Zivilschutz

Leon Eckert, in der Grünen-Bundestagsfraktion verantwortlich für Fragen des
Bevölkerungsschutzes, hält eine Verpflichtung zur Teilnahme für sinnvoll. Er
sagt: "Die Pflichtausbildung für kommunale Wahlbeamte in Landratsämtern und
Ratshäusern ist ein wichtiger Schritt, um einheitliche Standards und Abläufe für
den Zivilschutz zu erreichen und so ein gutes Vorsorgeniveau flächendeckend zu
etablieren."

Er verweist auch auf die geänderte Bedrohungslage durch den russischen
Angriffskrieg in der Ukraine. Die "Zeitenwende im Zivilschutz" benötige eine
bessere Vorbereitung auf allen Ebenen, findet Eckert. Dafür müsse jede
Kreisverwaltung optimal vorbereitet sein.

Als Folge der Hochwasserkatastrophe an der Ahr im Sommer 2021 ist in
Rheinland-Pfalz ein neues Lagezentrum für Bevölkerungsschutz geschaffen worden,
das Ende des Sommers schrittweise an den Start gehen soll. Es soll das Herzstück
eines neu geschaffenen Landesamtes für Brand- und Katastrophenschutz werden. In
dem Landesamt soll Expertise gebündelt werden, um die Kommunen beim
Bevölkerungsschutz zu unterstützen./abc/DP/men

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