14.05.2024 06:15:57 - dpa-AFX: VERMISCHTES/Faktencheck: Rohmilch für Schwangere? Finger weg!

BERLIN (dpa-AFX) - Milch kann ein wertvolles Nahrungsmittel sein: Das
enthaltene hochwertige Eiweiß, leicht verdauliches Fett und verschiedene
Vitamine sind gut für den Körper. Ein Trend in sozialen Netzwerken greift jene
Gesundheitsaspekte für unbehandelte Rohmilch auf und rät Schwangeren dazu, diese
zu konsumieren. In diesem Faktencheck wird geprüft, ob das sinnvoll ist.

Behauptung

Rohmilch ist gut für die Schwangerschaft und sollte daher von Schwangeren
konsumiert werden.

Bewertung

Falsch. Experten raten Schwangeren explizit von unbehandelter Milch ab.

Fakten

Weil ihr "ein besonders vollmundiger und aromatischer Geschmack
zugesprochen" wird, gebe es Menschen, die Rohmilch bevorzugen, schreibt das
niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit -
schickt aber eine Warnung hinterher: Der Konsum sei "nicht ungefährlich".

Als Rohmilch wird die unbehandelte Milch von Rindern, Schafen und Ziegen
bezeichnet. Sie wurde weder stärker erhitzt noch streng mikrobiologisch
kontrolliert. Durch die fehlende Wärmebehandlung werden eventuell vorhandene
Mikroorganismen nicht abgetötet und können sich in der Rohmilch vermehren. Um
diese vor dem Verzehr zu entfernen, gibt es seit dem 19. Jahrhundert die Technik
der Pasteurisierung (schonende Wärmebehandlung) von Milch.

Ziel sei es damals gewesen, Menschen unter anderem vor Tuberkulose zu
schützen, die mit der Milch übertragen werden kann, erklärt das Landesamt für
Verbraucherschutz. Dafür wird die Milch 15 Sekunden lang auf eine Temperatur von
72 Grad Celsius erhitzt.

Wärmebehandlung der Milch schützt vor verschiedenen Krankheiten

Was früher die Ausbreitung von Tuberkulose bekämpfte, könnte heute zum
Beispiel eine Übertragung des Vogelgrippevirus H5N1 verhindern. Das Virus
befällt derzeit weltweit Vögel und auch Säugetiere. In den USA hat es jüngst
Milchkühe erreicht. Obwohl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Gefahr für
Menschen noch für gering hält, empfiehlt sie, nur Produkte aus pasteurisierter
Milch und keine Rohmilch zu konsumieren.

Außerdem kann unbehandelte Milch weitere Krankheitserreger wie Salmonellen,
Listerien, EHEC und Campylobacter enthalten. Diese verursachen mitunter schwere
Infektionskrankheiten.

Multiresistente Bakterien in jeder zehnten Rohmilch-Probe

Bei einer Untersuchung im Auftrag des Bundesamts für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit (BVL) fanden sich in bis zu fünf Prozent der vor einigen
Jahren rund 360 untersuchten Rohmilchproben potenziell gefährliche Keime. In
etwa zehn Prozent der Proben wurden multiresistente Bakterien nachgewiesen.

Wer sie zu sich nimmt, kann Probleme bekommen. Gefahr droht dabei
insbesondere empfindlichen Menschen wie Kleinkindern, älteren und
immungeschwächten Personen sowie Schwangeren. Die schädlichen Bakterien oder
Keime können nach BVL-Angaben akute Darmentzündungen auslösen oder
Nierenprobleme verursachen.

Warum Schwangere so gefährdet sind

Während der Schwangerschaft schwächen hormonelle Veränderungen die weibliche Immunabwehr. Werdende Mütter sind dadurch empfänglicher für Infektionen, die
auch das Kind gefährden. Besonders schützen sollten sie sich etwa vor
Toxoplasmose-Erregern und Listerien, die hauptsächlich durch die Nahrung
übertragen werden. Deshalb sollen Schwangere auf rohe tierische Lebensmittel
verzichten, rät das Netzwerk "Gesund ins Leben", das vom
Bundesernährungsministerium gefördert wird. Dazu gehören Produkte aus Rohmilch,
rohes Fleisch und Fisch.

Wer sich unsicher ist, sollte Rohmilch abkochen

Bei Milch aus dem Supermarkt bewegt sich der Verbraucher eigentlich auf
sicherem Terrain. Sie wird in Deutschland vor dem Verkauf grundsätzlich
wärmebehandelt und ist deshalb nach Angaben des BVL unbedenklich. Wer dagegen
Rohmilch von einem Direktvermarkter kauft, sollte diese zu Hause abkochen. Dazu
rät auch die Verbraucherzentrale Niedersachsen und gibt eine Anleitung: "Es
genügt, die Milch 20 bis 30 Sekunden auf mindestens 72 Grad Celsius zu erhitzen.
Sobald die Milch kleine Blasen schlägt und zu schäumen beginnt, nehmen Sie sie
vom Herd."/mfl/DP/zb

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