12.05.2024 15:23:31 - dpa-AFX: POLITIK/Lindner: 'Die Verrohung ist offensichtlich'

BERLIN (dpa-AFX) - Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat eine
zunehmende Aggressivität im Umgang mit Politikern beklagt. "Die Verrohung auch
jenseits von Attacken ist offensichtlich", sagte der FDP-Chef den Zeitungen der
Mediengruppe Bayern (Samstag). "Ich bin jetzt 24 Jahre Abgeordneter, habe aber
kaum jemals mit Eskalationen zu tun gehabt. Innerhalb weniger Jahre ist das
anders geworden." In seinen Veranstaltungen gebe es nun regelmäßig vor allem
linke Gruppen, die nicht mehr diskutieren, sondern nur lärmen oder blockieren
wollten. "Oder mit Stinkbomben den Versuch unternehmen, dass man Argumente gar
nicht mehr vortragen kann."

Sein eigenes Verhalten will er angesichts der jüngsten Angriffe auf
Politiker nicht ändern. "Nein, ich fühle mich nicht bedroht", sagte Lindner, der
als Finanzminister unter Personenschutz steht. "Ich verändere auch mein
Verhalten nicht. Ich mache unverändert zum Beispiel Selfies mit den Besuchern
meiner Veranstaltungen." Auch schärfere Strafen speziell für Angriffe auf
Politiker lehnte er ab: "Experten sagen, dass der Strafrahmen ausreicht, aber
die Handlungsfähigkeit der Justiz verbessert werden muss. Körperverletzung ist
strafbar. Dabei macht es keinen Unterschied, ob das Opfer nun ein öffentliches
Amt bekleidet oder nicht."

Der Deutsche Richterbund forderte einen Kurswechsel der Bundesregierung im
Kampf gegen Extremismus und Rechtspopulismus. Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn
sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Die Ampelkoalition spricht zwar
viel über die Resilienz des Rechtsstaats, tut aber zu wenig dafür. Jetzt rächt
es sich, dass der Bundesfinanzminister ausgerechnet beim Rechtsstaat den
Rotstift angesetzt hat." Notwendig seien mehr Präventionsprogramme, eine bessere
Aufklärung über Desinformation im Netz und eine effektive Strafverfolgung, um
die Spirale aus Hass, Bedrohungen und Gewalt zu durchbrechen.

Auch die Opferschutzorganisation Weißer Ring rief nach den gewalttätigen
Angriffen auf Politiker dazu auf, gegen Hass- und Gewalt-Parolen stärker
vorzugehen. "Wer noch Zweifel hatte, ob Gewalt im Internet irgendwann auch
Menschen in der analogen Welt gefährlich werden kann, sollte spätestens jetzt
eines Besseren belehrt sein", sagte die Bundesgeschäftsführerin des Weißen
Rings, Bianca Biwer, der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. "Hass ist keine
Meinung", betonte sie. "Es ist unsere Pflicht, ihn in jeder Form zu bekämpfen:
ob digital oder analog."

In Dresden war der SPD-Wahlkämpfer Matthias Ecke angegriffen und so schwer
verletzt worden, dass er in einem Krankenhaus operiert werden musste. Die
Kommunalpolitikerin Yvonne Mosler (Grüne) wurde in der sächsischen
Landeshauptstadt beim Aufhängen von Wahlplakaten angerempelt und bedroht. In
Berlin wurde Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) von einem Angreifer
leicht verletzt./wn/DP/he

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