06.06.2024 15:35:52 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: Erstmals seit Inflationswelle: EZB senkt Zinsen

(Neu: Projektionen der EZB zur Entwicklung der Inflation und der
Wirtschaftsleistung.)

FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Europäische Zentralbank (EZB) senkt nach ihrer
beispiellosen Serie von Leitzinserhöhungen im Kampf gegen die Inflation wieder
die Zinsen im Euroraum. Nach knapp neun Monaten auf Rekordhoch verringern die
Euro-Währungshüter den Einlagenzins, den Banken für geparkte Gelder erhalten, um
0,25 Prozentpunkte auf 3,75 Prozent. Das teilte die Notenbank in Frankfurt am
Donnerstag im Anschluss an eine Sitzung des EZB-Rates mit. Zugleich wird der
Zins, zu dem sich Kreditinstitute frisches Geld bei der Notenbank besorgen
können, von 4,5 Prozent auf 4,25 Prozent gesenkt.

Für Kreditnehmer sind sinkende Zinsen eine gute Nachricht, denn Kredite
werden dadurch günstiger. Sparer müssen sich dagegen darauf einstellen, dass sie
tendenziell weniger Zinsen für Geld auf der hohen Kante bekommen. Da die
Entscheidung der Notenbank erwartet worden war, haben viele Geldhäuser ihre
Konditionen aber bereits angepasst.

"Rückgang zur Preisstabilität ist holprig"

Volkswirte hatten mit einer Lockerung der geldpolitischen Zügel gerechnet,
nachdem die Inflation sich deutlich abgeschwächt hatte. Zwar hat die Teuerung im
Euroraum im Mai wieder etwas an Tempo gewonnen: Die Verbraucherpreise stiegen
zum Vorjahresmonat um 2,6 Prozent nach 2,4 Prozent im April. Vom Rekordhoch bei
10,7 Prozent im Herbst 2022 ist die Inflation inzwischen aber weit entfernt.
Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbrauchern. Sie können sich
dann für einen Euro weniger leisten.

Nach neuester Prognose der Notenbank wird die Teuerung im Euroraum etwas
langsamer zurückgehen als zuletzt erwartet. Für das laufende Jahr rechnet die
EZB nun mit einer Inflationsrate von 2,5 Prozent, im März hatte die Notenbank
noch 2,3 Prozent vorhergesagt. 2025 wird eine Rate von 2,2 (März-Prognose: 2,0)
Prozent erwartet.

Die EZB strebt für den Euroraum mittelfristig eine jährliche Inflationsrate
von zwei Prozent an. Bei diesem Wert sehen die Währungshüter Preisstabilität
gewährleistet. "Wir sind mit dem spürbaren Rückgang der Inflation zufrieden,
aber der Weg zurück zur Preisstabilität ist holprig", hatte
EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel unlängst ARD Plusminus und
tagesschau.de gesagt.

Etwas mehr Zuversicht für die Konjunktur

Um die nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine stark
gestiegene Inflation in den Griff zu bekommen, hatte die EZB seit Juli 2022
zehnmal in Folge die Zinsen nach oben geschraubt, ehe sie eine Pause einlegte.
Kredite werden damit teurer. Das kann die Nachfrage bremsen und hohen
Teuerungsraten entgegenwirken. Teurere Finanzierungen sind zugleich eine Last
für die Wirtschaft und Privatleute, die sich Geld leihen wollen. Das kann die
Konjunktur bremsen.

Was das Wirtschaftswachstum im Euroraum angeht, sind die Euro-Währungshüter
für das laufende Jahr etwas zuversichtlicher geworden: Die EZB erwartet nun
einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 0,9 Prozent. Im März hatte die
Notenbank ihre zuvor optimistischeren Konjunkturerwartungen noch auf 0,6 Prozent
verringert.

Auf Zinssenkung folgt nicht automatisch die nächste

Wie viele Zinssenkungen noch folgen werden, ist derzeit schwer abzusehen.
Vertreter der EZB hatten zuletzt darauf verwiesen, dass die Entscheidungen von
der Entwicklung der wirtschaftlichen Daten abhängen. Aus einer ersten
Zinssenkung könne man keine "Art Autopilot" ableiten, bei dem gleich die nächste
Zinssenkung folgen müsse, betonte unlängst Bundesbank-Präsident Joachim Nagel,
der als Mitglied des EZB-Rates mit über die Geldpolitik im Euroraum entscheidet.
"Stabile Preise sind die wichtigste Voraussetzung für Wachstum in Europa, daran
sollten wir weiter festhalten", betonte Nagel. Es gelte, die Preisentwicklung
von Sitzung zu Sitzung zu beobachten./mar/ben/DP/jkr

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