19.05.2024 14:10:46 - dpa-AFX: 'Selbstheilende' Netze sollen Stromausfälle in Windeseile beheben

STUTTGART/LEUTKIRCH (dpa-AFX) - Mit moderner Technik sollen Stromausfälle
künftig deutlich schneller behoben werden. Derzeit dauere es durchschnittlich 54
Minuten, bis die Versorgung wieder steht, sagte der Geschäftsführer Technik des
Netzbetreibers Netze BW, Martin Konermann, der Deutschen Presse-Agentur. "Das
soll unter einer Sekunde gehen."

Das Zauberwort lautet auch hier Digitalisierung: Derzeit müssen Monteure bei einem Defekt noch die verschiedenen Umspannstationen abfahren und schauen,
zwischen welchen das Problem besteht - und dann die Schalter entsprechend
umlegen. Digitale Möglichkeiten der Sensorik (zum Messen) und der Aktorik (zum
Ausführen) sollen das künftig voll automatisch und in Windeseile ermöglichen.
"Selbstheilende" Netze, nennt Netze BW das. Die Monteure könnten dann in Ruhe
die genaue Fehlerstelle suchen und reparieren, sagte Konermann.

Pilotprojekt im Allgäu

Etwa alle zwei bis drei Jahre erlebt man Konermanns Angaben zufolge
statistisch einen Stromausfall - etwa in Folge von einem Baggerunfall, Unwettern
oder Verschleiß. Passiere es nachts, kriege man manchmal gar nichts mit, räumte
Konermann ein. Steht die Versorgung wirklich wieder binnen einer Stunde, taue
auch noch kein Gefrierfach ab. "Gerade aber die Industrie kann da schon echte
Probleme bekommen", machte er deutlich.

Ab Juni will die EnBW -Tochter Netze BW daher einen
Feldversuch im Allgäu im Versorgungsgebiet rund um das Umspannwerk Leutkirch
durchführen, bei dem eine automatisierte Teilwiederversorgung erprobt wird. Die
Erkenntnisse sollen dann auf andere Regionen übertragen werden. In Italien gebe
es ähnliche Versuche, sagte Konermann.

"Wir erfinden uns hier ein Stück weit neu", sagte Dirk Güsewell,
EnBW-Vorstand Systemkritische Infrastruktur. "Dafür gibt es keine Blaupause."
Und es gleiche einer Operation am offenen Herzen, weil das parallel zum
laufenden Betrieb geschehe.

Energiewende erfordert intelligente Lösungen

Mit Blick auf die Energiewende seien solche intelligenten Lösungen wichtig,
damit die Netze mit der wachsenden Komplexität mithalten können. Sowohl auf
Seiten der Erzeuger als auch der Verbraucher ändere sich einiges, etwa durch
mehr Einsatz von Photovoltaik und Wallboxen. Die Netze fungierten wie eine
Brücke zwischen diesen Pfeilern, sagte Güsewell. "Wir gehen davon aus, dass 90
Prozent der Umspannwerke und 60 Prozent der Leitungen im Verteilnetz ausgebaut
und erweitert werden müssen." Ein Kraftakt, für den Kosten in Milliardenhöhe
erforderlich sein werden.

Konermann machte deutlich, dass aus einem Netz mit rund 500 Großkraftwerken
im Hochspannungsbereich in Deutschland ein Netz aus rund 7,5 Millionen
wetterabhängigen kleineren Anlagen werde, die im niedrigeren Spannungsbereich
einspeisen. Dies erfordere ohnehin digitale Lösungen. "Da wollen wir auch im
Störungsfall schneller werden."

Rund 80 Prozent der Auswirkungen gehen seinen Worten zufolge auf Störungen
im Mittelspannungsnetz zurück, mit dem Strom in die Regionen verteilt wird.
Daher setzt hier der zunächst auf zwei Jahre angesetzte Feldversuch von Netze BW
an. Für den restlichen Transport zum Endverbraucher ist das Niederspannungsnetz
verantwortlich./kre/DP/he
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