14.07.2024 17:12:09 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: Verschärfte EM-Grenzkontrollen sollen auslaufen

(neu: Kontrollen an der deutsch-französischen Grenze)

BERLIN (dpa-AFX) - Die zur Fußball-Europameisterschaft eingeführten
verschärften Kontrollen an den Grenzen zu Dänemark und den Benelux-Staaten
werden nicht verlängert. Nach diesem Freitag wird wieder auf Schleierfahndung
mit gezielten Kontrollen umgestellt, wie das Bundesinnenministerium mitteilte.
Neu angeordnet hat Ministerin Nancy Faeser (SPD) dagegen weitere befristete
Kontrollen an der deutsch-französischen Grenze, um vor und während der
Olympischen Spiele in Paris zusammen mit den französischen Behörden für mehr
Sicherheit zu sorgen. Diese Kontrollen sollen "in Kürze" bei der EU angemeldet
werden. Die Spiele beginnen am 26. Juli und enden am 11. August.

Auch an den Landgrenzen zu Österreich, der Schweiz, Tschechien und Polen
finden laut Faeser wie schon seit längerem weiter Kontrollen statt. Hier gehe es
darum, irreguläre Migration zu begrenzen und Schleusungskriminalität zu
bekämpfen. Befristet sind sie für die Schweiz, Tschechien und Polen bis zum 15.
Dezember, für Österreich bis zum 11. November.

Während der EM waren Tausende unerlaubte Einreisen unterbunden, zahlreiche
Schleuser vorläufig festgenommen und Hunderte offene Haftbefehle vollstreckt
worden. Eine Bilanz will das Ministerium am Montagvormittag ziehen, einen Tag
nach dem EM-Finale.

FDP und Union: Grenzkontrollen wirken

FDP und Union hatten gefordert, die zur EM verschärften Kontrollen an allen
Grenzen fortzuführen. FDP-Fraktionschef Christian Dürr bilanzierte, die
Polizeikontrollen führten dazu, "dass wir sehr effektiv diejenigen aufgreifen,
die illegal ins Land kommen wollen".

Die CSU sieht dies ähnlich: Parteichef Markus Söder sagte im ZDF, ein
Auslaufen wäre "ein Bruch des Versprechens des Bundeskanzlers, den Schutz
Deutschlands voranzubringen". CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warnte,
eine Nichtverlängerung wäre "absolut fahrlässig". Auch die Innenminister der
unionsgeführten Bundesländer warben auf ihrer Konferenz in Dresden am Freitag
für eine Verlängerung.

Die Bundespolizei war nach Ministeriumsangaben seit Beginn der EM Mitte Juni täglich mit 22.000 Beamtinnen und Beamten im Einsatz. Für die Forderung von
Union und FDP fehlt aus Sicht der Gewerkschaft Personal und Ausrüstung. "Die
Grenzkontrollen haben während der EM zu 100 Prozent funktioniert. Es ist aber
nicht auf Dauer durchhaltbar, die Grenzen in dieser Intensität zu schützen",
sagte Polizeigewerkschafter Roßkopf dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Ministerium betont besondere Umstände für die Grenzkontrollen bei EM

Das Bundesinnenministerium wies zudem darauf hin, dass anlassbezogene
vorübergehende Grenzkontrollen an den Schengen-Binnengrenzen eine ernste
Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit voraussetzen. Ein
Sprecher betonte, dass die Bundespolizei auch nach der EM im Grenzgebiet zu
Dänemark, den Benelux-Staaten und Frankreich mit dem zulässigen Instrument der
Schleierfahndung - also gezielten Kontrollen - gegen grenzüberschreitende
Kriminalität vorgeht.

Die Grünen halten wenig von Dürrs Vorstoß. "Es ist eine Sache, mit
temporären Grenzkontrollen den Kontrolldruck auf Hooligans, potenzielle
Terroristen und andere Kriminelle zu erhöhen, und eine andere, mit stationären
Kontrollen an 2.000 Kilometern Binnengrenze jahrelang zu versuchen, die
Migration zu reduzieren", sagte der Grünen-Innenexperte Marcel Emmerich dem
"Tagesspiegel".

Justizminister will Leistungen für bestimmte Asylbewerber kürzen

Ein neuer Vorstoß zur Reduzierung irregulärer Migration kommt von
Bundesjustizminister Marco Buschmann. In der "Welt am Sonntag" sprach sich der
FDP-Politiker dafür aus, Sozialleistungen für Asylbewerber zu kürzen, die über
ein anderes EU-Land nach Deutschland einreisen. Buschmann verwies auf das
Dublin-System, wonach der EU-Staat für einen Flüchtling zuständig ist, in dem
dieser die EU betreten hat. "Viele kommen aber trotzdem nach Deutschland",
beklagte Buschmann. Die Sozialleistungen sollten seiner Ansicht nach in diesen
Fällen auf die Finanzierung der Rückkehrkosten beschränkt sein.

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese zeigte sich
skeptisch. Er sagte der "Welt": "Das Bundesverfassungsgericht gibt uns hier
einen sehr engen Rahmen vor, in dem wir politisch handeln können. Schon heute
erhalten vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, die sich der vorgeschriebenen
Ausreise entziehen, nur noch Unterkunft, Ernährung und Körper- und
Gesundheitspflege. Sollte Bundesjustizminister Buschmann verfassungsfeste
Vorschläge haben, werden wir uns diese selbstverständlich ergebnisoffen
ansehen."/shy/DP/nas

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