28.06.2024 09:06:22 - dpa-AFX: POLITIK: Früherer Botschafter von Belarus in Deutschland tot - 'Fenstersturz'?

MINSK (dpa-AFX) - Nach seiner Absetzung als Botschafter in Deutschland ist
der Diplomat Denis Sidorenko in seiner Heimat Belarus (früher Weißrussland) im
Alter 48 Jahren gestorben. Das Außenministerium in Minsk teilte erst nach
Berichten unabhängiger belarussischer Medien mit, dass der "liebe Kollege,
außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter von Belarus in Deutschland
(2016 - 2024)", verschieden sei. Eine Todesursache wurde nicht genannt. Mehrere
unabhängige belarussische Medien, die im Exil im Ausland arbeiten, berichteten,
dass sich der Familienvater nach Verhören durch den Geheimdienst KGB am 24. Juni
aus dem Fenster eines Hochhauses in Minsk gestürzt habe.

Eine offizielle Bestätigung für den Suizid gab es nicht. Machthaber
Alexander Lukaschenko, der als letzter Diktator Europas bezeichnet wird, führt
Belarus mit harter Hand, lässt weiter die Todesstrafe vollstrecken und erlaubt
keine freie Medienberichterstattung. Er hatte Sidorenko, der sich für gute
Beziehungen auch zur Europäischen Union eingesetzt hatte, aus Deutschland
abberufen.

Sidorenko war auch während der gegen Lukaschenko gerichteten und dann
niedergeschlagenen Proteste 2020 im Staatsdienst verblieben, als der Machthaber
sich in einer manipulierten Wahl erneut den Sieg hatte zusprechen lassen. Viele
prowestliche Belarussen blieben im Ausland oder flüchteten.

Der im Exil in der EU lebende Oppositionspolitiker Pawel Latuschko, selbst
ein ehemaliger Diplomat, sagte, dass Sidorenko ein Mann mit proeuropäischen und
demokratischen Ansichten gewesen sei. Trotzdem habe er entschieden, Lukaschenkos
Regime zu dienen, sei nach Belarus zurückgekehrt und dort zum Problem für den
Machtapparat geworden, sagte er dem belarussischen Internetportal "Serkalo". Das
Medium sprach auch mit anderen früheren Diplomaten. Dem Bericht zufolge
durchlebte Sidorenko durch die Lügendetektortests des KGB schweren
psychologischen Stress.

Das Außenministerium in Minsk veröffentlichte erst nach der Beerdigung eine
Mitteilung: "Als talentierter und verantwortungsbewusster Diplomat, Profi und
Patriot hat er sich die verdiente Autorität und Respekt seiner Kollegen und
Partner sowohl in der Republik Belarus als auch weit über ihre Grenzen hinaus
verdient. Dies ist ein großer Verlust für die diplomatische Familie von
Belarus." Sidorenko werde in Erinnerung bleiben "als ein wunderbarer Mensch, ein
fürsorglicher und mitfühlender Kollege, ein verlässlicher Freund und Kamerad."
Im vergangenen Jahr war auch der belarussische Außenminister Wladimir Makej im
Alter von 64 überraschend gestorben./mau/DP/jha

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