23.05.2024 14:31:13 - dpa-AFX: PORTRÄT/Mächtiger Banker aus Zufall: Rolf Breuer gestorben

FRANKFURT (dpa-AFX) - Im Schatten der Deutsche-Bank-Türme hatte Rolf Breuer
noch lange seinem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben sein Büro. Im Herzen
Frankfurts kümmerte sich der ehemalige Chef des größten deutschen Geldhauses um
seine zahlreichen Ehrenämter. Doch im hohen Alter reduzierte er die Zahl der
Mandate. Man müsse sich "immer vorstellen, es ist besser, wenn es den anderen
leidtut, wenn man geht", sagte er zu seinem 80. Geburtstag 2017 der Deutschen
Presse-Agentur. Am Mittwoch ist Breuer nach Angaben der Deutschen Bank im Alter
von 86 Jahren "nach längerer Krankheit im Kreise seiner Familie" gestorben.

"Mr. Finanzplatz", "Strippenzieher der Deutschland AG" - Breuer sammelte in
seiner Karriere viele Attribute. Mit seinem Namen ist der Aufstieg der Deutschen
Bank unter die führenden Finanzkonzerne der Welt verbunden - aber auch das
teuerste Interview der deutschen Wirtschaftsgeschichte.

"Was alles man darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor
nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar
Eigenmittel zur Verfügung zu stellen" - Anfang Februar 2002 sprach Breuer in
einem New Yorker Hotelzimmer in ein Reportermikrofon, was viele über das
Medienimperium des Unternehmers Leo Kirch dachten.

Gut zwei Monate nach dem Interview reichte KirchMedia Insolvenzantrag ein.
Kirch gab Breuer ("Der Rolf hat mich erschossen") und dessen damaligem
Arbeitgeber die Schuld. Die Beschuldigten wiesen die Vorwürfe stets zurück, für
den Niedergang des Kirch-Konzerns verantwortlich zu sein. Ein teurer Vergleich
stoppte Anfang 2014 die Prozesslawine: Die Bank zahlte den Kirch-Erben 925
Millionen Euro.

Die Frage, ob es ihn belastet habe, dass immer wieder dieser eine Satz
zitiert wurde, beantwortete Breuer pragmatisch: "Daran habe ich mich gewöhnen
müssen. Man darf das nicht zu sehr an sich herankommen lassen." Zweifelsohne hat
das Ringen um seine Reputation in Gerichtssälen Energie gekostet. Energie, die
Breuer sonst lieber in die schönen Dinge des Lebens steckte: Musik, Kunst,
Literatur.

International Piano Forum, Schirn Kunsthalle, Feith-Stiftung, Center for
Financial Studies - die Liste der Ehrenämter, die Breuer vor allem in seiner
Wahlheimat Frankfurt ausübte, ist lang. "Ich bin nie in ein Loch gefallen",
sagte Breuer. "Ich habe jedenfalls immer vermieden, zu Hause über die Schnur des
Staubsaugers zu fallen." Breuer war in zweiter Ehe verheiratet. Das Paar hat
einen Sohn und zwei Töchter. Seine Frau hat aus erster Ehe zwei weitere Kinder.

Bei der Deutschen Bank landete Breuer, dessen vollständiger Vorname
Rolf-Ernst ist, eher aus Zufall. "Mein Vater hätte gerne gewollt, dass ich
Chemiker würde, weil er von diesem Berufszweig das größte Potenzial erwartete.
Er hat mich mal in ein Praktikum geschickt und das hatte zum Ergebnis: kein
Talent", schilderte Breuer einmal.

"Ich hatte keine Ausnahmebegabung: Ich war kein großer Musiker, der daraus
hätte einen Beruf machen können. Auch zum Regisseur hat es trotz viel Lust und
Engagement nicht gereicht", resümierte Breuer, der in jungen Jahren Cello
spielte. "So bin ich aus Not oder Zufall oder Verlegenheit Jurist geworden und
Banker. Ich habe nach dem Abitur erst eine Banklehre gemacht, weil mein Vater
auch eine gemacht hatte. Und das war schon die Deutsche Bank , so
dass ich in meinem Leben nie einen anderen Arbeitgeber gehabt habe."

Als Breuer im Mai 1997 Hilmar Kopper als Vorstandssprecher der Deutschen
Bank beerbte, übernahm er ein auf Deutschland bezogenes Institut mit
Schwerpunkten im Kreditgeschäft und bei Privatkunden. Breuer trieb die
Internationalisierung des Konzerns voran und baute - gegen manche Widerstände -
das Kapitalmarktgeschäft aus.

"Ich habe Rolf Breuer als Banker "alter Schule" im besten Sinne erlebt, mit
klassischem Auftritt, aber auch mit enormem strategischem Weitblick", würdigte
der amtierende Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing. "Vor allem das
Großkundensegment und das internationale Geschäft lagen ihm am Herzen, weil er
sie als Grundlage für eine starke deutsche Wirtschaft sah."

Eine der größten Niederlagen Breuers: Auf der Zielgeraden scheiterte 2002
die Fusion von Deutscher Bank und Dresdner Bank. Wenig später, im Mai 2002,
rückte Josef Ackermann auf den Chefsessel der Deutschen Bank, Breuer wurde bis
Mai 2006 Vorsitzender des Aufsichtsrates der Bank.

Ein abruptes Ende nahm sein Engagement als Chefkontrolleur der Deutschen
Börse: Großanleger torpedierten im Frühjahr 2005 zunächst erfolgreich die
Übernahme der Londoner Börse LSE und drängten danach Börsenchef Werner Seifert
und Breuer aus dem Amt.

Dem Finanzplatz Frankfurt blieb Breuer trotz dieser Rückschläge treu:
"Frankfurt ist meine Heimat", bekannte der gebürtige Bonner einst und: "Hier
möchte ich alt werden und begraben werden."/ben/mar/DP/ngu
Name WKN Börse Kurs Datum/Zeit Diff. Diff. % Geld Brief Erster Schluss
Deutsche Bank Aktiengesellscha 514000 NYSE 15,470 14.06.24 03:00:30 -0,230 -1,46% 15,000 15,460 15,180 15,470

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH